Mittwoch, 16. März 2016

Kölner Gespräche (46): Maggie Mackenthun, Sängerin

Inge „Maggie“ Mackenthun wurde 1959 in Düsseldorf geboren. Ihr erstes Instrument war das Schlagzeug, hinzu kamen die Querflöte, das Saxophon und die Blues Harp. Ihre Musikkarriere begann sie als Straßenkünstlerin, in der Heavy-Metal-Band Moonrose spielt sie zusammen mit ihren Brüdern Reiner und Ferdi. Mitte der 1990er gründete sie mit ihrem Mann Gerhard Sagemüller die Band Kozmic Blue, die bis heute rund hundert Auftritte pro Jahr absolviert. Ein Nebenprodukt der vielseitigen Gruppe ist ein Theaterstück über das Leben von Janis Joplin, an die Maggies Stimme stark erinnert.
Maggie Mackenthun ist Mutter zweier erwachsener Töchter und lebt mit ihrem Mann in Zollstock.

Als der Fotograf sie um eine Rockerpose bittet, ist es ihr noch viel zu früh dafür. Schließlich sei sie „zweigeteilt“, sagt Maggie Mackenthun. Die Antwort bietet sich an für einen Gesprächseinstieg.

Von welchen zwei Personen reden Sie?

Erst abends auf der Bühne bin ich Maggie, da verschwinde ich in meine wirkliche Welt. Wenn ich anfange zu singen, durchströmt mich eine unheimliche Energie. Ich singe jeden Song, als sei es das erste Mal. Inge ist hingegen die, die morgens zuhause Yoga macht und sich um Enkel, Kinder und Mann kümmert.

Maggie und ihr Mann Gerhard Sagemüller

Wie würden Sie jemendem, der Sie nicht kennt, Ihre Stimme, Ihren Gesangsstil beschreiben?

Ich singe mit allem, was ich habe. Meinen Gesang vergleiche ich gern mit Babygeschrei, in der Hinsicht, das auch ein Baby all sein Gefühl in dieses Schreien legt.

Mit welchen Folgen?

Vor und während unserer Gigs kann ich weder essen noch trinken, das käme auf der Bühne alles wieder raus. Und nach dem Auftritt habe ich regelmäßig Muskelkater. (lacht)

Ein Logopäde würde sagen: völlig kaputt, diese Stimme. (Empfehlung an dieser Stelle: Sich Maggies außergewöhnliche Röhre einmal selbst anzuhören, s. www.kozmicblue.de.)


Ja, total. Und obendrein ungesund. Ich hatte nie eine Gesangsausbildung und habe mir alles selbst beigebracht.

Ihr schottischer Vater starb, als Sie drei waren. Wissen Sie, ob er musikalisch war?

Eigentlich war er Zahnarzt, aber er hat wie ich Schlagzeug gespielt. Vererbt hat er mir wohl seine Lebensart. Ferdinand Mackenthun war in Düsseldorf dreimal Schützenkönig, der konnte gut trinken und seine Freunde unterhalten.

Ihre Stimme ähnelt der von Janis Joplin frappierend. Wann haben sie deren Musik kennengelernt?

Ich war ungefähr zehn, die sechste Klasse musste für die Neulinge der fünften ein Willkommenslied präsentieren. Mit unserer Turnlehrerin Frau Grüneklee, den Namen werde ich nie vergessen. Ausgewählt hatte sie den Song Cry Baby von Janis Joplin, der mit diesem unglaublichen Schrei beginnt. Der hat mich total fasziniert.

Heute spielen Sie mit Ihrer Band Kozmic Blue diverse Joplin-Cover. Aber Sie waren nie ausschließlich fixiert darauf.

Nein, wir spielen fast ausschließlich eigene Songs. Janis-Joplin-Songs kamen mir früher oft zu nah. Richtig klasse fand ich stattdessen einige männliche Sänger, etwa Robert Plant von Led Zeppelin oder Noddy Holder von Slade.


Meine erste Lieblingsband in den frühen 70ern. 1978 habe ich Slade sogar mal live gesehen.

Slade Alive war wiederum meine allererste LP. In Düsseldorf habe ich 13 Jahre auf einem Bauwagenplatz gewohnt, wo wir praktisch rund um die Uhr Musik gemacht haben. Mein Zugang war immer die Improvisation, ich habe einfach losgelegt.

Sie waren jahrelang Straßensängerin. Eine gute Schule?

Auf der Straße lernt man alles, das ist die härteste aller Schulen. Du musst laut genug sein, und du musst Präsenz haben, sonst rennen alle Leute an dir vorbei.

Haben Sie da eher Songs von Janis Joplin oder von Joan Baez gesungen?

Weder noch, wir haben nur improvisiert.

Macht man damit Kohle?

Eben nicht. (lacht) Wir hatten nie Kohle. Aber wir haben die Musik gespielt, die uns Spaß machte. Und auf dem Platz brauchte man nicht viel Geld. Geduscht hat man im Schwimmbad und gegessen aus der Dose.

Klingt idyllisch, war es aber sicher nicht immer.

Ich habe in der Zeit meine erste Tochter bekommen und geheiratet, einen von den Jungs dort. Er war zehn Jahre älter als ich und leider drogensüchtig. Ich habe dann auch drei Jahre Heroin gespritzt. Irgendwann kam ich runter davon und habe mich von ihm getrennt. Ich wollte Musik machen, und ich war immer sehr sportlich. Der Mann ist später an einer Überdosis gestorben, da war unsere Tochter sechs.

Sie sind in Düsseldorf auch aufgewachsen. Wie?

Ich bin in Oberkassel großgeworden, direkt am Rhein also. Mit den Kindern von damals bin ich bis heute befreundet. Dank meines großen Bruders Reiner durfte ich, als Mädchen, alles mitmachen. Ich war Mitglied seiner Bande, ich durfte rauchen, mit auf dem Mofa fahren, und ich habe auf den Rheinwiesen immer mit den Jungs Fußball gespielt.

Wie kam es zum Wechsel nach Köln?

1988 habe ich mit meiner damaligen Band Moonrose auf dem legendären Werner-Rennen in Hartenholm gespielt, vor 200.000 Leuten. Mit Moonrose haben wir damals unter anderem Led Zeppelin gecovert. Und Brahm Heidl von der Kölner Band Schroeder Roadshow vermittelte mich dann ich zu einem Led-Zep-Projekt des WDR nach Köln.

Und dabei haben Sie sich in den Dom verliebt?

Bei diesem Projekt namens Kaschmir lernte ich Gerhard Sagemüller kennen, meinen heutigen Mann. Der saß damals am Schlagzeug

Waren Sie als Led-Zeppelin-Coverband erfolgreich?

Wir haben als Vorband für John Mayall, Steve Harley von Cockney Rebel und ähnlichen Kalibern gespielt. Aber als Pärchen in einer Band wurde es zunehmend schwierig. Letztlich haben Gerd ich ich dann Kozmic Blue gegründet, die bis heute existieren.

Kozmic Blues wiederum ist ein Song von Janis Joplin.

Ja, den und Me and Bobby McGee haben mein Mann und ich mal im Urlaub am Strand gespielt, und so fingen wir an, neben unseren eigenen Songs auch Joplin-Titel zu spielen.

Haben Sie, als Kölner Rockband, nie an Kölschrock gedacht?

Nein, denn ich kann kein Kölsch. (lacht) Aber Deutschrock habe ich mit meinen Brüdern schon Anfang der 80er gemacht. Richtig heavy war das, ein bisschen zu früh für die deutsche Welle, die dann langsam begann.

Wie gefällt Ihnen der Aufschwung der deutschsprachigen Popmusik heutzutage?

Da ist viel tolles Zeug bei, ich höre das immer von nebenan, aus dem Zimmer meiner Tochter. Wenn mir ein richtig geiler deutscher Text unterkäme, würde ich den auch singen. Aber ich glaube, dass ich mich auf Englisch besser ausdrücken kann.

Seit zwölf Jahren wohnen Sie in Zollstock. Ist das Rock´n´Roll?

Ich finde, es entwickelt sich. Hier ziehen immer mehr jüngere Menschen hin, gute Kneipen und Cafés machen auf. Auf dem kleinen Sommerfest auf der Herthastraße spielen wir jedes Jahr.

Sie wissen, woher der Name Zollstock rührt?

Ja, dank der Menschen in den Geschäften, die man hier kennenlernt. Der Zollstock war ein Zollhaus auf dem Weg nach Köln hinein.



Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.


Fotos: Tina Niedecken, Peter Vroon

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