Dienstag, 22. September 2015

Coloniales (57)

Die Beschreibung einer kultischen Waschung durch Petrarca

Im Jahre 1333 besuchte der berühmte italienische Schriftsteller Köln. Es war der 24. Juni, Vorabend zum längsten Tag des Jahres, und was Petrarca bei seiner Ankunft am Rhein beobachtete, raubte ihm den Atem:

„Von Aachen kam ich nach Köln, das durch seine Lage, seine Bevölkerung und durch den Fluss sehr berühmt ist. Am Tag vor St. Johannes war’s – die Sonne neigte sich bereits ihrem Untergang zu, und alsbald führten mich meine Freunde zum Ufer, wo ich ein prächtiges Schauspiel bewundern konnte. Das ganze Ufer war mit einer unermesslichen Menge Frauen bedeckt. Ich staunte. Gütiger Gott, was für schöne Gestalten, Gesichter, Kleider! Wer das Herz von anderen Leidenschaften frei gehabt hätte, konnte sich da verlieben. Ich hatte mich an einem etwas erhöhten Ort aufgestellt, und ich sah sie nacheinander alle in ihren Festgewändern. Frauen in lebhafter Erregung, manche mit duftenden Kräutern bekränzt, die Ärmel hatten sie bis zu den Ellbogen aufgestreift. Sie badeten im Fluss die Hände und die weißen Arme und murmelten dabei in ihrer mir unbekannten Sprache, ich weiß nicht was für Worte. Man sagte mir, das sei ein uralter Brauch, und das Volk sei fest davon überzeugt, alles drohende Unheil des ganzen Jahres spüle die Waschung am Fluss an diesem Tag hinweg.“


Verschiedene Quellen belegen, dass sich der Brauch der rituellen Waschung vor der Sommersonnenwende in Köln bis ins 19. Jahrhundert hielt.

Eine unermessliche Menge: Hochwasser in der Altstadt




Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

Keine Kommentare: