Mittwoch, 10. Juni 2015

Coloniales (53)

Der Fernwärmetunnel

Einmal so richtig „unten durch“ sein

Wer trockenen Fußes die Rheinseite wechseln will, benutzt herkömmlicherweise eine der sieben Brücken oder die Fähre von Weiß nach Zündorf. Es geht aber auch anders, und zudem weitaus spektakulärer. Ein unscheinbarer Betonpilz am rechtsrheinischen Messeufer bildet den Eingang zum Fernwärmetunnel der Rheinenergie. 

 Einstieg rechtsrheinisch neben der Hohenzollernbrücke

Über rund 100 Stufen steigt man hinab zu einer drei Meter hohen, begehbaren Röhre, die unter dem Flussbett hindurch zum Breslauer Platz führt. 461 Meter lang ist diese Unterführung, mit der die damaligen Gas- und Elektrizitätswerke (GEW) 1984 ein zukunftsweisendes Projekt starteten. Der Trick: Vom Kraftwerk aus wird 120 Grad heißes Wasser auf die Reise geschickt, um sich nach der Flussunterquerung zweigartig auf die Haushalte zu verteilen und dort über einen Wärmetauscher ihre Hitze abzugeben für Heizungs-, Koch- und Badewasser. Die Leitungen sind so gut isoliert, dass das Wasser vom Vorlauf bis zum Verbraucher maximal fünf Grad verliert.


 Im Tunnel


Und wer einwendet, dass doch auch dieses Wasser mit Energieaufwand auf Temperatur gebracht werden muss: das läuft natürlich über Kraft-Wärme-Kopplung, d.h. mit der Wassererhitzung beispielsweise durch Erdgas wird zugleich Strom erzeugt.
Analog dem Bau der Nord-Süd-U-Bahn fraß sich auch 1984 ein riesiger Bohrschild durchs unterirdische Gestein. So mancher ungewöhnliche Fund wurde dabei zu Tage gefördert, u.a. Bombenreste und Teile der alten Hohenzollernbrücke. Die interessantesten Stücke liegen im rechtsrheinischen Vorraum auf einem Ausstellungstisch – gezeichnet mit Datum, Uhrzeit und dem Namen der jeweiligen Schicht, die sie entdeckte.
Die Begehung eignet sich nicht für Menschen, die zu Platzangst neigen. Vor allem im ersten Moment scheint der schnurgerade Tunnel kein Ende zu nehmen. Wer jedoch das „Halbzeit“-Schild erreicht, der hat das Gröbste überstanden.

Ausstieg linksrheinisch unterm Musical Dome


Rückweg über die Hohenzollernbrücke


Text aus: Bernd Imgrund: 111 Kölner Orte, Emons Verlag

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