Mittwoch, 17. Dezember 2014

Interviews (31)

Der Gänsezüchter Manfred Viander

Zur Person
Manfred Viander wurde 1967 in Köln geboren. Nach dem Abitur absolvierte er eine Lehre zum Versicherungskaufmann und arbeitete anschließend zwölf Jahre bei einer Versicherung als Spezialist in der Unternehmensberatung. 2000 heiratete er in einen Bauernhof ein und entdeckte seine Leidenschaft für die Landwirtschaft. 2002 übernahmen die Vianders den elterlichen Hof und spezialisierten sich auf die Gänsezucht. Außerdem betreiben sie einen kleinen, feinen Hofladen mit weiteren Geflügelspezialitäten.
Manfred Viander lebt mit Frau Britta und Sohn Louis in Hürth-Sielsdorf.
Weitere Informationen: www.sielsdorfer-gaensehof.de

Manfred Viander hat eine beeindruckende Umsteiger-Karriere absolviert: vom Versicherungskaufmann zum Gänsezüchter. Während von der Wiese her die rund 1000 Gänse schnattern, haben wir in seiner Küche Ruhe für ein paar fachmännische Worte über das Federvieh.

Wenn so eine Gans ihre Biografie schriebe: Wie fiele die aus?

Im Mai bin ich geschlüpft und wurde zum Sielsdorfer Gänsehof gebracht. Dort verlebte fünf Wochen in einem 30 Grad warmen Küchenstall, wo ich leckeres Naturfutter bekam. Obwohl mich statt Federn noch immer nur Flaum wärmte, durfte ich im warmen Juni zum ersten Mal ins Freie. Meine Welt auf dem Hof bestand aus einer riesigen Wiese und einem Teich zum Baden.

Ihre Gänseküken werden also anderswo ausgebrütet. Wieso?

Die Zucht ist extrem aufwendig, vor allem die ersten zwei Monate. Das ist, als ob Sie ein kleines Kind hätten, und wir haben hier rund 1000 Gänse. Nebenher eine Brüterei zu betreiben, ist nicht zu schaffen. Da geht es um Klassifizierung, um Zuordnung der Ganter, Gänse und Eier, das kann nur ein Spezialist leisten.

Wie wurden Sie zum Gänsezüchter?

Eigentlich komme ich aus der Finanzwelt, habe aber in eine bäuerliche Familie eingeheiratet. Um 2000 herum gab es hier noch wenige Gänse, aber ich merkte mit der Zeit, wieviel Spaß mir die Aufzucht dieser Tiere macht.

Sie klingen, als wären Sie von Norddeutschland an den Rhein gekommen.

(lacht) Ich bin schon in Köln geboren, kann aber kein Kölsch. Meine Mutter stammt von Sylt, daher wohl die sprachliche Färbung.

Bezeichnen Sie sich heute als Bauer statt als Versicherungskaufmann?

Ja, ich bin Geflügelzüchter mit einer Spezialisierung auf die Gans. Und statt der Gänsemast betreibe ich eine artgerechte Aufzucht mit einem natürlichen Futtercocktail.

Was wird darin angerührt?

Das kommt auf die Jahreszeit an und aufs Wetter - je nach dem, ob die Gänse viel im Freien herumlaufen können. Für die Kohlenhydrate kommt Altbrot hinein, außerdem Zuckerrüben, Futterweizen und Mais. Vor allem der hat es in sich, da muss man gut dosieren.

Was muss eine Weihnachtsgans mitbringen, damit Sie sie hier verkaufen können?

Unsere Gänse leben auf 25.000 Quadratmetern. Die haben also viel Auslauf und können sogar schwimmen gehen, wann sie wollen. Deshalb sind sie sehr saftig, fleischig und deutlich muskulöser als Mastgänse. Es gibt das Vorurteil fetttriefenden Gänse, aber das trifft auf unsere Tiere sicherlich nicht zu.

Joggen Sie mit denen täglich übern Acker, oder wie werden die fit gemacht?

Die joggen von allein, weil sie eben genug Platz haben. Das liegt in deren Natur.

Was kann man bei der Zubereitung einer Gans falsch machen?

Dass man die Temperatur zu hoch stellt und sie übergart zum Beispiel. Bleibt die Gans zu lange im Ofen oder verwendet man Heißluft, trocknet sie aus. Deshalb haben wir für unsere Gänse ein spezielles Rezept entwickelt, das wir den Kunden mitgeben.

Sie züchten artgerecht, dennoch unterscheiden sich Ihre freien Gänse in mancher Hinsicht von den richtig wilden Zuggänsen à la Nils Holgersson.

Das beginnt bei der Körperform, Zuggänse sind viel schmaler und filigraner gebaut. Unsere hier verlieren auch ab einem bestimmten Gewicht ihre Flugfähigkeit, also mir haut hier niemand ab. (lacht)

Gans, Ente, Pute, Huhn, Truthahn - es gibt jede Menge essbares Geflügel. Wodurch sticht die Gans heraus?

Die Gans hat etwa gegenüber der Pute oder dem Hähnchen rotes statt weißes Fleisch, das zudem viel geschmackvoller ist. Ich schmecke aus dem Fleisch auch heraus, wie die Gans gefüttert wurde.

Sind Gänse intelligenter als andere Flattermänner?

(lacht) So weit bin ich noch nicht, dass ich das beurteilen könnte. Aber ich beobachte durchaus die Hackordnung unter den Tieren. Und weil Gänse untereinander sehr rabiat werden können, muss ich zuweilen auch eingreifen.

Zur Bestätigung dessen zeigt der Züchter auf einen abgetrennten Teil der Wiese, wo sich zwei drangsalierte Einzelgänger verlustieren. Auch Sie werden jedoch früher oder später in einem Bräter schmoren.

Essen wir nur Gänse oder auch Ganter?

Beides. Ganter sind schwerer und tragen mehr Fleisch, bei denen muss man noch mehr aufpassen, dass sie nicht zu fett werden. Aber geschmacklich gibt es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern.

Geben Sie Ihren Gänsen Namen?

Nein, so viele könnte ich mir nicht merken.

Sie entwickeln also kein persönliches Verhältnis zu den Tieren?

Nein, das fände ich auch ein bisschen makaber. Aber im Sommer setze ich mich gern an den Teich und schaue den Gänsen beim Plantschen zu.

Töten Sie selbst?

Manchmal schon, denn ich muss immer mal wieder neue Leute einarbeiten. Die Tiere werden zunächst durch einen Kopfschlag betäubt. Wichtig ist, diesen Schlag professionell durchzuführen, dafür braucht man einen regelrechten Sachkundenachweis.

Was kann falschlaufen?

Das Tier darf keinerlei Stress empfinden. Sonst stellen sich die Federn auf, und später bekommt man sie dann schlecht aus dem Fleisch gezupft. Wenn die Kiele in der Haut stecken bleiben, ist die Gans kaum noch verkäuflich.

Haben Sie in der Hinsicht mal etwas Trauriges erlebt?

Nicht in Bezug auf Gänse. Aber beim Saubermachen der Futtertröge habe ich mal ein verwaistes Spatzenküken gefunden. Das habe ich dann acht Wochen lang aufgepäppelt, habe mir eine Futterspritze besorgt und bin alle zwei Stunden nachts aufgestanden. Zum Dank dafür wurde der Spatz sehr anhänglich und verbrachte viel Zeit auf meiner Schulter.

Bis hierhin wirkt das wie eine klassische Weihnachtsgeschichte.

Aber dann kam jener Tag, da wir im Garten grillten und sich der Spatz von der Schulter auf meinen Fuß setzte. Als ich irgendwann aufstand, habe ich ihn übersehen und bin auf ihn getreten. Es war schrecklich, ich habe geknatscht wie ein kleiner Junge.

Sie leben in einem Dorf ohne Schule und Kirche, ohne Laden oder Büdchen und mit nur einer Kneipe. Klingt nach sozialem Brennpunkt.

Nein, Sielsdorf ist eher ein kleines, verschlafenes Nest, in dem es sehr beschaulich zugeht. Hier gibt es alljährlich eine Kirmes, ein Sommerfest und einen Martinszug - ich fühle mich sehr wohl hier.

Woher kommen die Kunden Ihrer Gänse und des kleinen Hofladens?

Aus Sielsdorf kommen eher wenige, aber dafür haben wir viele Kunden aus dem Bergischen hier. Die nehmen auch zwei Stunden Fahrtzeit in Kauf, um eine anständige Gans zu bekommen.

Und was halten Sie von der immer mal wieder aufflammenden Diskussion, Hürth nach Köln hin einzugemeinden?

(lacht) Ich glaube nicht, dass uns das hier irgendwelche Vorteile brächte. Aber mein alter Traktor hat noch ein Kölner Kennzeichen.

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