Mittwoch, 30. April 2014


Interviews (27)

Heute: Der Musiker Arno Steffen (Zeltinger Band, L.S.E.)

„Verdamp lang her“ sind keine verdammt langen Haare.

Arno Steffen wurde 1953 im Severinsviertel geboren. Nach Anfängen in diversen Kölner Gruppen gehörte er 1978 zu den Gründungsmitgliedern der Zeltinger Band, die im selben Jahr mit der LP „Live im Roxy“ deutschlandweit berühmt wurde. 1981 wechselte Steffen kurzfristig zur Prog-Rock-Band Triumvirat, bevor er 1983 erstmals als Solokünstler unterwegs war. Zusammen mit der Studio-Legende Conny Plank produzierte er u.a. den Hit „Supergut, ne?“. Kölsche Musikgeschichte schrieb er ab 1992 gemeinsam mit Tommy Engel und Rolf Lammers. L.S.E.-Songs wie „Sein Lassen“, „Kopfe Sneide“ und „Saunaboy“ wurden zu Evergreens. Heutzutage schreibt Steffen zahlreiche Filmmusiken, u.a. für diverse Tatort-Folgen und den letzten „Schimanski“. 2013 erschien sein Soloalbum „Hop Hop“ mit dem er zur Zeit auf Clubtournee ist.
Arno Steffen lebt mit seiner Frau in der Südstadt.

Um 1976 herum habe ich im Jugendzentrum Meschenich die Band Jennifer gesehen, deren Mitglied Sie waren. Erinnern Sie sich an den Gig?

Nein, obwohl wir nicht viele Auftritte hatten. Einmal haben wir in einem Schützenheim gespielt, wo uns der Hausmeister den Strom abdrehte, weil wir angeblich zu laut waren. Zum Essen nach dem Konzert hatten wir uns Currywürstchen bestellt, die flogen dann jenem Hausmeister hinterher.

Das Konzert in Meschenich wurde damals nach drei Songs wegen Regen abgebrochen. Aber ich habe mir Ihre Single gekauft.

Zum Beweis lege ich Arno Steffen die 38 Jahre alte, recht zerkratzte Seven Inch vor.

Oh, super! Weil ich mit dem Chef Horst Leichenich befreundet war, gab es diese Single in der Musikbox vom ehemaligen Roxy.

Der legendäre Kneipenclub lag ursprünglich an der Maastrichter Straße, dort traf sich die Kölner Musiker-, Künstler- und Lebenskünstlerszene.

Die beiden Songs waren in einem Pseudo-Englisch verfasst, das waren alliterierte Blendax-Texte. Eines Tages standen zwei englische Musiker im Roxy und hingen ewig über der Musikbox, um zu verstehen, was da verdammt nochmal gesungen wurde.

Haben sie es herausgefunden?

Irgendwann wussten sie, dass ich es war, der da sang. Da dachte ich nur: Oh Mann! Seitdem versuche ich, meinen Texten einen gewissen Sinn zu geben.

Die meisten Ihrer bekannten Texte sind kölsch. Wie haben sie den Dialekt gelernt?

Ich bin in der Südstadt aufgewachsen, in der Zwirnerstraße. Meine Eltern haben kein Kölsch mit uns gesprochen, denn das stand für eine niederen sozialen Status. Aber wenn es zuhause Auseinandersetzungen gab, verfiel man stets in den Dialekt. Und Kölsch wurde natürlich auch auf der Straße gesprochen.

Südstadt-Impressionen (1)

Auch in Lindenthal, wohin Ihre Familie dann zog?

Das war ein Sanella-Viertel, so genannt, weil sich die Leute angeblich die Butter sparten, um ihr Häuschen zu bauen. Für mich war Kölsch später eine Protestsprache, damit war man anders als die anderen. Richtig gängig wurde der Dialekt eigentlich erst mit dem Auftauchen der Bläck Fööss.

Sind Sie Purist, was das Kölsche betrifft?

Wenn ich an Karneval die Leute vor den Kneipen singen höre, dann ist das schon oft ein fürchterliches Falschkölsch. „Verdamp lang her“ sind keine verdammt langen Haare.

Wie kölsch ist die Südstadt heute noch?

Wolkenhaft! (lacht) Vor 40 Jahren war die Südstadt rein proletarisch und zu 95 % kölsch. Hier lebte man total solidarisch, da konntest du als Kind überall schellen, kriegtest was zu trinken oder ein Butterbrot. Das hat sich über die Jahrzehnte extrem verändert.

In welche Richtung?

Das hatte hier etwas beinahe Dörfliches. Sonntagsmorgens wurden das Kissen ins Fenster gelegt und gequatscht. Denken wir an das „Veedel“ das Bläck Fööss: „Die Stündche beim Klaafe, es dat vorbei?“ Ja, das ist vorbei.

Man nennt das heute gern „Gentrifizierung“.

Rechtsanwälte, Lehrer, der bildungsbürgerliche Mittelstand hat den einst billigen Wohnraum erobert. Die selben Leute, die damals Stollwerckbesetzer waren, haben später als Etablierte den Kneipen hier das Leben schwergemacht.

Linksalternatives Spießertum?

Das ist das IKEA-Establishment. Aber was ich mit „wolkenhaft“ meine: Die Kölschen, das Kölsche ist noch nicht völlig verschwunden. Manchmal, wenn ich hier durch die Straßen gehe, weht mir aus einem Hauseingang, aus einer Kneipe heraus eine sprachliche Kölschwolke entgegen.

Jürgen Zeltinger ist Ende der 1970er durch die Stadt gelaufen und hat seine Bandmitglieder zwangsrekrutiert. War von Anfang an klar, dass das Kölschrock wird?

Dem Jürgen schwebte eigentlich so eine Combo à la Crosby, Stills, Nash & Young vor. Aber vor allem zu ihm passte das gar nicht, der ist ein reiner Rock´n´Roller. Zur zweiten Probe habe ich direkt die komplette Band mitgebracht.

Die Hoch-Zeit der Zeltinger Band verlief parallel zur Neuen Deutschen Welle. Wo würden Sie NDW heute musikhistorisch einordnen?

Owei. Darunter wurden Schlagersänger wie Markus, Nena oder Hubert Kah subsummiert, aber auch Avantgardebands, Max Goldt, DAF und Liaisons Dangereuses zum Beispiel.

Sie selbst haben Anfang der 1980er den Song „Supergut, ne?“ herausgebracht: einerseits moderne Sample-Technik, andererseits ein geradezu provozierend primitiver Text. Ist das typisch Arno Steffen?

(lacht) Ja. Das entspricht meiner Art, Dingen Ausdruck zu geben. Ich vergleiche das manchmal mit Igeln, an die du nicht so einfach drankommst. Weil sie ihre Stacheln ausfahren.

Südstadt-Impressionen (2)

Sie haben mal eine Dokumentation über den Affen Petermann gemacht, der als TV-Star begann und später den Zoodirektor anfiel und erschossen wurde. Wie war das mit Ihnen und dem Affen?

Da hat mich mein Freund Georg Roloff drauf gebracht. Damals stand an vielen Mauern der Spruch „Petermann, geh du voran“, und das hat uns neugierig gemacht.

Petermann ist angeblich mit gereckt-geballter Faust in den Tod gegangen ...

Ist klar ... Jedenfalls enthält Petermanns Leben diverse Parabeln. Der wurde geschlechtsreif und schwierig, der wurde im Alter vergessen, und als sie im Zoo das neue Affenhaus bauten, musste Petermann mit seiner Freundin Susi im alten Gebäude bleiben. Obwohl der Neubau u.a. mit Petermanns Sparbuch finanziert worden war.

Vom Affenhaus zum Hummerbecken: „Sein lassen“ ist eines jener L.S.E.-Lieder, die inzwischen zum kölschen Evergreen-Gut gehören.

Früher gab´s bei der EMI Kassetten mit Songideen, und der Rolf Lammers (das L in L.S.E.) hatte mir eine davon zugesteckt. Aus Versehen habe ich die falsche Seite aufgelegt, aber da war dann dieser hummelflug-artige Song drauf, der zu „Sein lassen“ wurde.

Aber die Textidee war von Ihnen?

Der Text ist final in L.S.E.-Zusamenarbeit entstanden. Als ich das Lied im Studio einsang, sah ich plötzlich niemanden mehr im Regieraum, die Aufnahme lief aber weiter! Ich also da hin, und dann entdeckte ich Tommy und Rolf: Die waren vor Lachen von ihren Stühlen unters Pult gerutscht.

Haben Sie die Geschichte vom kleinen Ralf im Hummerbecken in Wirklichkeit erlebt?

Nicht genau so natürlich. Aber eigentlich ist die Frau in dem Song meine Mutter. Wenn einer ihre Pänz anmachte, gab es Kasalla. Aber zuhause dann: „Wat häs do jemaat?“ - Da gab´s dann auch Kasalla, die konnte ziemlich rabiat sein.

L.S.E. war großartig, aber nicht von Dauer. Wieso?

Ich glaube, L.S.E. gibt es noch. Das ist ein Geist, der nicht vollends verschwindet. Ich sage immer: Wir haben unsere L.S.E.-Karriere allrdings mit einem St.-Pepper-Album angefangen. Alle Hits auf der ersten Platte, das ist eine verdammt hohe Latte.

Ist es nicht eher so, dass man sich als kölsche Band ohne Karnevalsauftritte nicht lange hält?

Ich stimme in soweit zu, als es ohne Karneval schwer wird, sich langfristig von kölscher Musik zu ernähren. Aber deshalb braucht man ja dennoch keinen so genannten Karneval zu machen.

Auch das berühmte Arsch-Huh-Konzert 1993 war kölsch, aber nicht karnevalesk. Kaum jemand weiß, dass es eigentlich zwei Arsch-Huh-Hymnen gab. Die bessere, musikalisch deutlich härtere, stammte von Ihnen, wurde aber nie groß vermarktet.

Danke für das Lob, das Stück von Niki und Wolfgang ist großartig. Ich hatte aber einen anderen Druck bezüglich dieses Themas Ausländerfeindlichkeit. Den Titel spiele ich auch zur Zeit in meinem neuen Programm.

Wie würden sie dieses Bühnenprogramm beschreiben?

Man kann einknicken und Lieder mit Schunkelfaktor schreiben, aber soweit bin ich noch nicht. Ich will die Leute nicht da abholen, sondern suche eher welche, die mich so mögen, wie ich mir selbst am liebsten bin.

Sie haben sich mal als eine Melange aus Frank Zappa und rheinischer Stimmungssänger bezeichnet.

(lacht) Ja, das passt gut.





Südstadt-Impressionen (3)

Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

Keine Kommentare: