Mittwoch, 27. November 2013

Interviews (19)

Der Mann vom GeißbockEcho

Frederic Latz wurde 1977 in Düren geboren. Nach Abitur und Zivildienst ging er 2000 für ein Jahr als Musiker nach London. Darauf folgte ein Medien- und Kommunikationsstudium an der Kölner Sporthochschule. Der eingefleischte FC-Fan kam 2007 als Praktikant zum GeißbochEcho, dem Clubmagazin des 1. FC Köln. 2009 wurde er Redaktionsleiter, und seit Oktober 2013 fungiert er als Medienbeauftragter/Pressesprecher des Clubs. Ende November erscheint sein zusammen mit Dirk Unschuld verfasstes Kompendium „Mit dem Geißbock auf der Brust“, das jetzt schon bestellt werden kann.
Frederic Latz wohnt mit seiner Frau und seinem Sohn in Sülz.

In der Redaktion des GeißbockEchos wird auf Hochtouren gearbeitet. Das nächste Heimspiel und mithin die nächste Ausgabe der Vereinszeitung steht an. Ruhe für ein Gespräch finden wir im hintersten Raum des Geißbockheims, mit Blick auf einen asiatischen Steingarten.

Was bedeutet Köln für einen jungen Dürener?

Die große weite Welt. Obwohl Aachen geografisch näher liegt, ist man als Dürener voll auf Köln ausgerichtet, den riesengroßen Magneten.

Über Düren-Birkesdorf haben die Bläck Fööss mit dem Buuredanz eine Art Spottlied verfasst. Wie kommt sowas an?

Ein Dürener ist so schnell nicht gekränkt. In diesem Fall fühlt man sich sogar geehrt, von so einer Band überhaupt erwähnt zu werden. Düren nennt sich selbst „Das Tor zur Voreifel“, dass es dort eher ländlich zugeht, bestreitet niemand.

Toni Schumacher sprach anno 1987 in seiner Autobiografie „Anpfiff“ von „meinem Slum“ und nannte sich den „Fußball-Rocky“. Was meinte er?

Toni musste sich bei Schwarz-Weiß Düren durchboxen. Wegen dem „Slum“ fühlten sich einige Dürener damals auf den Schlips getreten. Aber es gibt auch Stimmen, die bestätigen, dass sein Heimatort Rölsdorf seinerzeit durchaus ein ziemlich rauhes Pflaster war.

Und Sie wuchsen eher im kleinbürgerlichen Reihenhaus auf?

Ich bin etwas außerhalb von Düren aufgewachsen, in einem Dorf namens Stockheim. Da traf man sich als Kind nach der Schule zum Bolzen.

Wie verlief Ihre eigene Fußballkarriere?

(lacht) Die begann in der F-Jugend des TSV 09 Stockheim, genau wie beim Vater und großen Bruder. Irgendwann ging ich zum größeren Verein in Düren-Niederau und schaffte es in die Kreisauswahl. Ich war bis zur B-Jugend ein solider Abwehrspieler, aber meine Karriere beendete letztlich die Leidenschaft für die Musik.

Klassik oder Pop?

Wir haben damals eine Rockband mit englischen Texten gegründet, und ich spielte Gitarre. Mit 18 wollte ich Johnny Marr, werden, der Gitarrist von den Smiths.

Was kann Musik, was Fußball nicht kann?

In der Musik kann man sich viel freier bewegen, dort gibt es fast keine Grenzen. Im Fußball wird streng trainiert und einer Taktik gefolgt.

Was halten Sie in diesem Zusammenhang von der Floskel des „Künstlers am Ball“?

Kunst kommt von Können, deshalb ist ein Littbarski oder Messi in gewisser Weise auch ein Künstler - in dem Rahmen, den der Sport vorgibt.

In beiden Metiers ist der Sprung an die Spitze sehr schwierig.

Das stimmt. Ich habe sogar ein Jahr als Musiker in London verbracht. Mit der Band waren wir manchmal nahe an einem Plattenvertrag, aber es hat dann doch nicht geklappt.

Das Kölner Stadion haben Sie folglich noch nicht gerockt?

(lacht) Nein, obwohl wir tatsächlich mal das Angebot bekamen, bei einem Heimspiel vor der Südkurve aufzutreten. Aber wir fanden, dass Fußballfans nicht gerade die Zielgruppe unserer Musik waren.

Haben Sie mal versucht, eine FC-Hymne zu komponieren?

Klar, wer auf emotional tiefgehende Musik wie etwa von Bruce Springsteen steht, der kann sich so etwas vorstellen. Aber der FC hat eine Hymne, an der keiner vorbeikommt.


Wie sind Sie statt bei den Smiths bei den Geißböcken gelandet?

Das kommt aus der Familie. Als ich nach meiner Geburt aus dem Krankenhaus kam, hing schon ein FC-Poster an meiner Zimmerwand, und ein Ball lag im Gitterbett. Ich zitiere da immer gerne Nick Hornby: „Einen Verein sucht man sich nicht aus, er wird dir gegeben.“

Gerade lief hier Peter Stöger vorbei, ein Ösi. Alexander Wehrle ist Stuttgarter, und sein Co-Geschäftsführer Jörg Schmadtke sogar Düsseldorfer. Wie leben die den Hornby-Spruch?

Dieses Zitat betrifft ausschließlich die Fan-Seite des Fußballs. Wer im Profisport arbeitet, muss eine klare Grenze ziehen zwischen seinen Gedanken als Fan und seinem Beruf. Jörg Schmadtke macht zurecht keinen Hehl daraus, wo er herkommt. Aber seine Arbeitskraft investiert er zu hundert Prozent in den FC.

Sie könnten sich also auch vorstellen, mal in ähnlicher Funktion in Gladbach, Düsseldorf oder Leverkusen zu wirken?

(gemeinsames Lachen) Da nennen sie jetzt natürlich die allerschwierigsten Kandidaten. Sagen wir so: Da ich hier momentan überglücklich bin, stellt sich mir diese Frage nicht.

Hat es denn Vorteile, hier als echter Eingeborener zu arbeiten?

Ich kann mich in die Gemüter des Umfelds wohl besser hineindenken als andere. Der Rheinländer zeichnet sich durch hohe Emotionalität aus, sei es in der Freude oder in der Trauer. Der FC ist dafür das beste Beispiel, wenn man sich den explodierenden Fanzuspruch seit dem ersten Abstieg ansieht.

Stimmt, 45.000 Zuschauer gegen einen Verein wie Sandhausen, das sagt alles. Sie haben sich mal als Fan für „Pro Bier um halb 4“ engagiert. Was war das?

Das wurde in einer Gruppe von Fußballautoren aus einer Bierlaune heraus geboren. Damals kursierte die Idee, Alkohol komplett zu verbieten in Stadien.

Aber Sie meinen wie ich, dass der mündige Bürger selbst entscheiden sollte, wo und wann er Bier trinkt?

Grundsätzlich teile ich Ihre Meinung. Bier gehört doch irgendwie zum Fußball dazu. Bei Spielen mit hohem Konfliktpotenzial muss man aber auch hierbei Ausnahmen machen.

Bierbembelkunst in Bayern


Das passt gut zu jenem Hobby, das Sie auf Befragen gern angeben: Grillen.

Ich liebe den Sommer, das Gesellige, ich könnte jeden Abend grillen. Wenn da so ein schönes Steak auf dem Rost liegt, ist das für mich unglaublich entspannend. Wie für manch anderen das Angeln.

Aber Sie würden den Bären nicht selber erlegen?

(lacht) Mein Großvater mütterlicherseits war Förster und Jäger. Aber ich selbst bin übers Zielscheibenschießen mit dem Luftgewehr nicht hinausgekommen.

Tierfreund ja, Vegetarier nein?

Genau. Für mich gehören auch gefüllte Paprika, Kartoffeln und ähnliches nicht auf den Grill.

Vom dicken Steak zum dicken Buch. Ihr dieser Tage erschienenes Kompendium „Mit dem Geißbock auf der Brust“ ist das umfassendste, das je über den FC erschienen ist. Wieviel wiegt es?

Ich schätze, so um die drei Kilo.

Gibt es Dinge, die Sie überrascht haben bei der Recherche?

Klar, Dirk Unschuld und ich haben versucht, jede Spieler-Biografie seit der Gründung 1948 zu vervollständigen. Spontan fällt mir der mühevolle Weg von Andrzej Rudy ein, der sich als polnischer Nationalspieler absetzte und über ein Jahr gesperrt war, bevor er beim FC spielen durfte.

Rudy, geboren 1965, war insgesamt fünf Jahre in Köln, absolvierte hier 134 Bundesligaspiele und schoss 14 Tore. Inzwischen arbeitet er als Trainer.

Auch im dicksten Buch muss noch immer etwas fehlen. Bei Ihnen sicher auch.

Stimmt, vor allem Vorgänge mit juristischer Relevanz im Privatleben mancher Spieler. Da sagt einem der Verlag, dass er da nichts riskieren will.

Von einem FC-Fachmann wie Ihnen kann man einen Ausblick verlangen: Wie schafft es der FC zukünftig in die Champions League?

Mit ruhiger, kontinuierlicher, qualitativ hochwertiger Arbeit.

Hm, ich hätte jetzt gesagt: Indem er dieses Jahr aufsteigt und nächste Saison Dritter wird.

Im Profifußball sind viele Dinge nicht wirklich planbar. Alle müssen sich aufs Tagesgeschäft konzentrieren und einen Schritt nach dem nächsten machen.


Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

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