Mittwoch, 13. November 2013

Interviews (18)

Heute: Der Tatort-Regisseur

Kaspar Heidelbach ist einer der renommiertesten deutschen Filmregisseure. Geboren 1954 in Tettnang am Bodensee, kam er 1967 nach Köln. Nach einem Studium der Kunstgeschichte, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft arbeitete er acht Jahre als Regieassistent. Als junger Regisseur drehte er u.a. zahlreiche Folgen der „Lindenstraße“, bald kamen auch Krimiserien hinzu. Heidelbachs Name verbindet sich mit diversen Münster- und Köln-Tatortfolgen sowie mit den serienunabhängigen Spielfilmen um den ausgestiegenen Kommissar Schimanski. Darüber hinaus zeichnet er für einige aufwendige Fernsehfilme verantwortlich, unter anderem den „Untergang der Pamir“ (2006). Für „Das Wunder von Lengede“ erhielt er den Adolf-Grimme- und den Bayrischen Fernsehpreis, zwei seiner zahlreichen Auszeichnungen.
Kaspar Heidelbach ist Vater von zwei erwachsenen Kindern und lebt mit seiner Frau in der Kölner Südstadt.


Eigentlich hätte dieses Gespräch in der Ubierschänke am gleichnamigen Ring stattfinden müssen. Aber dort kennt Kaspar Heidelbach zu viele Leute. Also haben wir uns für das ruhigere Café Schulze auf der Severinstraße entschieden.

Um direkt kritisch einzusteigen: Warum steht ein gutaussehender Kerl wie Sie hinter statt vor der Kamera?

Als Kind habe ich in Schulstücken mitgemacht. Aber eigentlich reizt mich das Schauspielern nicht. Im Gegenteil, ich werde sogar noch nicht einmal gerne fotografiert. Was mich an meinem Beruf interessiert, ist das Geschichtenerzählen.

Das tut man doch auf beiden Seiten des Objektivs.

Aber als Regisseur habe ich die Fäden in der Hand, das ist mir wichtig.

Gibt es von Ihnen Camouflage-Auftritte à la Hitchcock?

Ja, vor allem, weil dann das Team seinen Spaß hat. Zuletzt stand ich in „Mord mit Aussicht“ als Freier im Flur eines Stundenhotels. Mit weißen Socken, Bademantel und Bierflasche.

Waren Sie als Kind eher der Clown, der Zuhörer oder schon der Regisseur?

Der Clown mit der spitzen Zunge. So ist das heute noch in der Ubierschänke, meiner Stammkneipe in der Südstadt.

Wie interpretieren Sie die Kontrollmacht des Regisseurs?

Das ist durchaus auch ein manipulativer Job - im positiven Sinn. Man versucht, das Beste aus den Leuten herauszuholen, seien es der Kamermann, die Kostümbildner, Ausstatter oder eben die Schauspieler.

Aber Kontrolle ist nicht alles, nehme ich an.

Nein, ich trage auch eine nicht gerade kleine Verantwortung. Für die Zeit des Filmdrehs ist mir etwas in die Hand gegeben worden: eine Geschichte, die ich ordentlich umsetzen muss, und natürlich auch ein Haufen Geld. Ein Tatort zum Beispiel kostet zwischen 1,3 und 1,4 Millionen Euro.


Heidelbachs Stammkneipe

Viele Ihrer Filme erreichen ein Millionenpublikum, Sie haben zahlreiche Preise gewonnen. Zuletzt haben Sie nun einen Schimanski abgedreht. Was war damals, Anfang der 80er, das Neue an diesem Kommissar?

Schimanski war eine kleine Revolution, weil er sich völlig vom Beamtenhabitus seiner Vorgänger gelöst hat. Denken Sie an den „Kommissar“ mit Erik Ode, an Derrick und Ähnliches. Schimanski war anders angezogen, hatte Krach mit seinen Vorgesetzten und trank rohe Eier. Die Bildzeitung hat ihn nicht umsonst die ersten acht Folgen lang als „Schmuddelkommissar“ niedergeschrieben.

Aber er erreichte andere Bevölkerungsschichten?

Mit Schimanski konnten sich Jugendliche eher identifizieren als mit seinen TV-Kollegen. Und auch für Nach-68er wie mich, für Antiautoritäre war er attraktiv.

Mit wem würden Sie in der Ubierschänke am liebsten ein Bier trinken: mit Börne und Thiel aus dem Münster-Tatort oder mit Schimanski?

(lacht) Am besten mit allen Dreien, das könnte lustig werden.

Sie haben mehrere Münster-Tatortfolgen gedreht. Wieviel Börne, also wieviel Pedanterie und Perfektionismus, steckt in Ihnen?

Als Regisseur muss man auch pedantisch sein können und sich ab und zu unbeliebt machen. Sei es gegenüber den Leuten am Set oder dem Sender, den Geldgebern. Einen Film zu machen, ist immer auch ein großer Kampf.

Dabei hört man doch immer, Filmen sei Teamarbeit.

Das ist auch so, absolut. Aber einer muss der Bestimmer sein. (lacht) Wir hängen alle voneinander ab, wir arbeiten alle zusammen. Trotzdem ist Filmen kein demokratischer Prozess.

Axel Prahl sagt, er kenne niemanden, der exakter vorbereitet ans Set komme als Kaspar Heildelbach. Was meint er damit?

Prahls Thiel aus dem Münster-Tatort hat einiges von Schimanski, dies nur nebenbei. Was meine Arbeit betrifft: Ich kann besser schlafen, wenn ich ein Konzept habe. Und wenn gute Änderungsvorschläge kommen, wandele ich lieber mein Konzept ab, als einfach ins Blaue zu proben.

Lassen Sie Ihre Schauspieler zuweilen improvisieren oder sagen Sie: Mach dieses Gesicht und sprich deinen Text in jener Tonlage?

Nein, das würde ich nie tun. Ich spreche auch nie Texte vor, sondern sage höchstens, dass das gerade aus diesem oder jenem Grund nicht gut war. Dabei sollte man allerdings möglichst diplomatisch vorgehen, denn wenn ein Schauspieler einmal eingeschnappt ist, wird die Szene bestimmt nicht besser.

Wie überzeugt man einen Götz George, wenn er anderer Meinung ist?

Das geht nur über Annäherung. Man muss allerdings wissen, dass Götz ein besonderer Fall ist. Der sitzt morgens in seinem Wohnmobil und platzt fast, bis er endlich loslegen kann. Immer perfekt vorbereitet, immer sofort präsent, einfach toll. Das ist die alte Schule, Götz begrüßt auch jeden Morgen alle Kollegen per Handschlag, bis hin zu den Praktikanten.

Südstadt, Schoko-Fabrik

Was ist für Sie anders, wenn Sie in Köln drehen?

Köln ist heimisches Terrain. Wenn ich ein Kölner Drehbuch lese, fallen mir sofort Bildmotive ein, die man ergänzen könnte. Ich bin übrigens die Geißel jedes Fahrers, weil ich den hiesigen Taxischein besitze. Meinen Zivildienst habe ich nämlich als Rettungsfahrer absolviert, da muss man sich sogar noch ein bisschen besser auskennen als der normale Chauffeur.

Sind Sie in Köln pingeliger, was Anschlussfehler betrifft?

Ich bemühe mich, das zu vermeiden, ja. Du kannst schlecht vom Neumarkt über den Rhein fahren und dann am Dom ankommen.

Wie wichtig ist Lokalkolorit für Serien wie den Tatort?

Die ursprüngliche Idee war, in verschiedenen deutschen Städten Kriminalgeschichten zu erzählen, die zugleich die Eigenheiten der Region transportieren. Das darf allerdings nicht so weit gehen, dass man daraus Mundartstücke macht.

Bei den Münchnern und Österreichern hat man diesen Eindruck zuweilen schon.

Naja, aber das ist nie tiefster Dialekt. Mit Willy Millowitsch haben wir uns damals bei Kommissar Klefisch auf eine Sprache verständigt, die er „Rheinisch“ nannte. (lacht)

Müssten die Kommissare Ballauf und Schenk nicht eigentlich Kölner sein?

Noch nicht mal unser Oberbürgermeister ist ein Kölscher! Aber ich versuche schon, die Stadt möglichst häufig einzufangen. In meinem letzten Kölner Tatort habe ich mir den Spaß erlaubt, sämtliche Brücken mindestens einmal zu zeigen. In einer anderen Folge haben wir einen Hausmeister „Kaczmarek“ genannt, nach dem Bläck-Fööss-Song. Der schließt da eine Wohnung auf, und Dietmar Bär sagt: „Danke, Kaczmarek.“

Jenseits von Köln haben Sie schon fast überall auf der Welt gedreht. Wo war´s am spannendsten?

Auf Malta, ganz klar, wo wir den „Untergang der Pamir“ drehten. In der Realtät war die 122 Meter lang. Ich habe das Schwesterschiff, die „Passat“ in Travemünde besichtigt und dachte: Heidelbach, du bist größenwahnsinnig. Es gibt eine Formel, mit deren Hilfe man errechnen kann, wie groß das Filmmodell sein muss, um im Zusammenspiel von Kamera und Wellen am realistischsten zu wirken. So kamen wir zu unserem 23-Meter-Modell.

Klingt recht aufwendig.

Ist aber noch lange nicht alles. Außerdem hatten wir zum Beispiel Wellenmaschinen, Wasserrutschen, Wasserkanonen und ein separates Hauptdeck, das um 90 Grad kippbar war. Das Ganze war ein Sandkastenspiel in riesengroß.

Der nächste Schritt wäre dann die Neuverfilmung von Werner Herzogs „Fitzcarraldo“.

Würde ich nie machen, denn für diesen Film sind Menschen gestorben. Das muss nicht sein, für keinen Film der Welt.

Zurück nach Deutschland: Sie stammen aus Tettnang am Bodensee. Gibt es noch Beziehungen dorthin?

Viele Verwandte leben noch da, eine wunderschöne Gegend. Aber wenn ich ein paar Stunden dort bin, weiß ich, warum Köln meine Stadt ist.

Inwiefern?

Immerhin lebe ich hier nun seit 1967. Um einen guten Film zu drehen, würde ich überall hingehen. Aber wohnen möchte ich immer hier, in der Südstadt. Wissen Sie, so gern ich über Filme rede, so wohl fühle ich mich in meiner Stammkneipe. „Du warst ja lange weg“, sagen die Jungs da. Und dann ist das Thema durch.


Die schiefe Kirche von der Südstadt - erinnert sich noch jemand?


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