Mittwoch, 23. Oktober 2013

Interviews (17)

Heute: Der Skat-Weltmeister

Jörg Hussong, geboren 1962 in Köln, gehört zu den weltweit besten Skatspielern. Nach der Mittleren Reife absolvierte er eine Lehre als KFZ-Mechaniker, ab 1987 arbeitete er im Kundendienst verschiedener Autohäuser. Vor zwei Jahren stieg er um und betätigt sich zur Zeit als Kraftfahrer. Dem Euroskat Team Köln gehört er seit 1988 an. Seinen größten Einzelerfolg feierte er als 5. bei der WM 2000. 2006 und 2008 wurde er Mannschafts-Weltmeister, 2012 gewann er die Einzelwertung der Skat-Bundesliga West.
In seinem Vereinslokal, dem Porzer Gasthaus Kranz, hat sich Jörg Hussong in die hinterste Ecke gesetzt, mit Blick zur Tür und den Fenstern. Die Pokerzocker im Western machen das genauso - nur ja niemanden im Rücken haben!

Spielen Sie lieber ein Solo oder mit einem Partner?

Skat ist in der Bundesliga ein Mannschaftssport. Wenngleich es hier auch eine Einzelrangliste gibt, stellt man sich doch vorwiegend in den Dienst der Mannschaft. Mir machen beide Konstellationen Spaß.

Ich meinte eigentlich: Gewinnen Sie einen kleinen Karo lieber alleine oder zu zweit gegen den Solospieler?

Ein Solo ist das A und O beim Skat, ohne Punkte keine Preise. Steht mein Blatt allerdings auf wackeligen Füßen, mache ich lieber ein Spiel des Gegners kaputt, als selber Miese zu riskieren. Auch dafür bekommt man nach der Wettspielordnung 30 Punkte. Im Wettkampfbereich gilt: Wenn Sie ein Spiel verlieren, müssen Sie dafür drei gewinnen.

Deshalb sind die Profis bei Turnieren wohl auch so oft schon bei 18 weg.

Ein Spiel muss Stabilität und Substanz haben, auf starke Karten aufbauen. Dann kannst du das auch reizen.

Was macht die Substanz eines Blattes aus?

Ein kleines Beispiel: Bei einem hohlen As, also etwa As, 9, 7, können Sie die Dame der Gegner schon dazuaddieren. Haben Sie die allerdings selbst auf der Hand, geht sie wahrscheinlich weg.

Wie würden Sie einem Marsmännchen die Faszination des Skat erklären?

Ich würde ihm sagen, dass er es hier mit einem Spiel zu tun hat, bei dem sich der Glücksfaktor und das logische Denken auf sehr spannende Art ergänzen.

Dennoch schrumpft der Skatverband Jahr für Jahr.

Stimmt, in Deutschland können rund 15 Millionen Menschen, manche sagen: 30, Skat spielen. Aber nur 35.000 sind in Skatvereinen organisiert, das ist schade. Uns fehlen sowohl die Sponsoren als auch der Nachwuchs.

Die Jugend pokert heutzutage lieber.

Pokern boomt, auch dieses Spiel kann man mathematisch spielen. Auf lange Distanz setzt sich immer der Bessere durch, genau wie beim Skat. Aber Pokern tut man immer allein, beim Skat gibt es den dritten Mann. Es sind Strategien und Kalkulationen gefordert, die das Spiel meines Erachtens interessanter machen als Poker.

Beim Pokern spielt das Bluffen eine große Rolle. Beim Skat auch?

Den Anteil des Bluffens würde ich auf vielleicht fünf Prozent schätzen. Wer unbedingt seinen einfachen Karo spielen will, der sagt seine 18 einschüchternd forsch, damit der andere vielleicht beeindruckt ist und passt.

Hat man an Tagen, an denen man sich gut fühlt, auch bessere Karten?

(grinst) Das kann ich bestätigen. An guten Tagen fühlst du dich fit und spielst hochkonzentriert. Du bist nicht zu vorsichtig, du überziehst deine Blätter nicht und machst im Spielverlauf alles richtig.

Gibt es also einen Skatgott?

Skat ist in meinen Augen ein Phasenspiel, mal hat man anhaltend Glück, mal die Pechsträhne. Ich kenne Leute, die setzen dann lieber vier Wochen aus, als schlechte Listen zu spielen. Von daher würde ich sagen: Ja, es gibt einen Skatgott, und die meisten Skater sind abergläubisch.

Wie äußert sich das bei Ihnen?

Wenn mein erster WM-Tag gut gelaufen ist, ziehe ich das T-Shirt am nächsten Tag wieder an. Blödsinn eigentlich, aber das muss sein!

Kann man mal riskieren. Aber nur bei eigenem Aufspiel (siehe unten).
 
Das erinnert an Ewald Lienens blaues Hemd und Udo Latteks blauen Pullover. Gibt es unter Ihren Kollegen weltweit auch einen irdischen Skatgott, einen Messi?

Nein. Es gibt in der Weltspitze einige wirklich sehr gute Spieler, aber keinen, der irgendwie gottähnlich herausragt.

Eine Frage, um die seit Jahrzehnten gestritten wird: Ist Skat Sport?

In meinen Augen ja! Skat unterhält schließlich wie jede Sportart einen Ligabetrieb und daneben zahlreiche kleine und große Turniere bis hin zu EMs und WMs. Leider ist unser Spiel allerdings nicht besonders publikums- und medienwirksam.

Welche Leute trifft man auf diesen internationalen Turnieren?

Alles vom Harz-IV-Empfänger bis zum Doktor und millionenschweren Firmenchef. Der eine kommt im Anzug, der nächste im ausgefransten T-Shirt, es gibt bei uns keine Kleiderordnung.

Aber wohl ein paar Benimmregeln?

Mal ein Bier oder eine Schnapsrunde - das kann vorkommen, wenn man mit lustigen Leuten am Tisch sitzt. Eingeschritten wird, wenn jemand zu viel trinkt oder sich sonstwie daneben benimmt.

Es kursieren einige Vorurteile über Skatspieler. In welchem Verhältnis stehen Skat, Zigaretten und Bier?

Alkohol geht eigentlich gar nicht, wenn man etwas erreichen will. In der Spitze wird praktisch nichts getrunken beim Spiel, aber beim Kneipenskat auf der Ecke ist das natürlich etwas anderes.

Bereiten Sie sich konditionell vor auf eine WM? Und nehmen Sie während des Turniers ab wie ein Leistungssportler?

Nee, eigentlich passiert das Gegenteil. Beim Skat verbrennt man nichts, so richtig gesund ist das nicht. Aber das Spiel ist wie der Fußball von oben nach unten durchorganisiert.

Müssen Sie vor einem Bundesligamatch trainieren?

Nach 25 Jahren nicht mehr, ich weiß, was ich wann zu tun habe.

Sie arbeiten als Kraftfahrer. Welche Opfer bringen Sie für ihr Hobby?

Der Job leidet nicht darunter, denn Skatevents spielen sich am Wochenende ab. Aber für Turniere und Skatreisen geht bei mir fast der ganze Urlaub drauf. Dieses Frühjahr haben wir in Köln die Deutschen Meisterschaften organisiert, da war schon einiges zu stemmen.

Ich als reiner Kneipenskater halte stets die Punkte nach und weiß, wieviel Trümpfe noch draußen sind. Was haben Sie alles im Kopf?

Natürlich alle Punkte, die Trümpfe und wenn ich mir Mühe gebe, auch alle noch nicht gefallenen Karten. Wenn ein guter Skater merkt, dass das Spiel aus dem Ruder zu laufen droht, rekonstruiert er für sich auch alle vorigen Stiche, um sich über die Verteilung der gegnerischen Blätter klarzuwerden.

Unterlaufen Ihnen dabei auch schon mal Fehler?

(lacht) Auch ich liege nicht immer richtig. Manchmal spekuliert man die ganze Zeit auf diesen König im letzten Stich, mit dem man auf 61 Augen käme. Aber dann fällt stattdessen die Dame, und das Spiel ist verloren. Aber um mal eines klarzustellen: Ich sehe mich nicht als Profi, denn ein Profi lebt von seinem Sport. Das kann bei den derzeitigen Konstellationen kein Skatspieler.

Sie treten bei EMs und WMs an. Und am Ende gewinnt immer Deutschland?

In der Nationenwertung fast immer, ja. Und die Einzelwertung gewinnen auch zu neunzig Prozent Deutsche.

Es gibt Skatclubs auf den Bahamas und in Chile. Aber die Mitglieder heißen Meier, Lehmann und Krause.

Genau, das sind fast immer Auswanderer. In Gegenden, wo viele Deutsche zusammenkommen, wird dann natürlich das deutsche Traditionsspiel gepflegt.

Wie sieht es - national und international - mit weiblichen Skatern aus?

Es gibt, im Vergleich zu den Männern, nur wenige. Daran wird es wohl auch liegen, dass Frauen sich insgesamt kaum einmal in die Siegerlisten eintragen können. Hin wieder werden Mixed-Turniere angeboten, man kann auch Mixed-Weltmeister werden.

Wann hatten Sie zum letzten Mal ein Blatt, das man, wie früher üblich, an die Kneipenwand hängen könnte?

(lacht) Letztens im Internet. Man kann auf verschiedenen Websites rund um die Uhr Skat spielen, und vor einiger Zeit hatte ich einen Grand Ouvert: Die ersten drei Buben, die obersten sechs Kreuz und ein blankes As dazu. Das ging natürlich nur sicher durch, weil ich zudem noch am Aufspiel war.

Stimmt, sagt selbst der schlichte Kneipenskater. Denn ansonsten hätte Hussong fürchten müssen, gegen Kreuz 7 und Karo Buben einen Stich abzugeben, der die Schneider-Schwarz-Pflicht des Ouverts zerstört hätte. 






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