Mittwoch, 1. Mai 2013

Thekentänzer (66)

Als Trinken noch lustig war

Tiger ist heute groß in Form: „Fragt der mich am nächsten Morgen nach meiner Telefonnummer, und ich so: ´Haste nich gesehn, die hab ich mir doch aufn Hintern tätowieren lassen.“
Im Fernsehen läuft Fußball, und irgendein Fremder sagt, der Bessere solle gewinnen.
„Das ist ja wohl voll schwul“, weist die Rote Tina ihn zurecht.
„Stimmt“, pflichtet Tiger ihr bei.
Der Bessere gewinnt am Ende, Tiger und Tina sind beim fünften Becks-Genever-Gedeck. In Tinas fussiger Lockenmähne flirren die letzten Sonnenstrahlen. Draußen geht die „Omma“ vorbei, ein alter Kerl, der seit zwei Wochen in eine andere Kneipe schlappt. Seine Plauze verlangt nach einem heftigen Hohlkreuz, gierigen Blicks schiebt er sich gen nächste Straßenecke.
„Ich kenn einen, der hat sich beim Bund seinen Arm abgeschossen. Und in die Handprothese passt jetzt genau ein Kölschglas, mit dem kleinen Finger drunter als Stütze“, sagt Tina.
„Dat die mal nicht irgendwann die Durchmesser ändern“, trällert Tiger. Das Kreuztattoo an seiner Schläfe vibriert im Takt der darunterliegenden Ader. Eine junge, leicht vernachlässigt wirkende Frau tritt ein und erklärt, sie habe gestern wohl ihren FC-Schal hier liegenlassen. Als sie ihn schließlich in einem fiesen Altkleiderhaufen hinter dem Eingang entdeckt, ist er über und über mit Guinness versifft. Sie zuckt mit den Schultern und legt ihn sich um.
„Die nächsten zwei Tage hab ich frei“, sagt sie. Und der Kellner zapft wortlos ein Stout.
Aus den Boxen schallt ein deutscher Protestsong aus den 70ern, Floh de Cologne. Es geht um den Sozialismus. Tiger macht schlapp und lässt den nächsten Genever aus. „Wie ein Eichhörnchen“, schimpft Tina, „du trinkst wie ein Eichhörnchen, ich glaub, ich such mir jetzt mal nen anderen, da hinten die Type gefällt mir sogar.“
„Ts ts“, macht Tiger, gespielt beleidigt und wuschelt ihr durch die Mähne, „ich sag´s ja immer: Unter einem rostigen Dach liegt meistens ein feuchter Keller.“

Zeit ist Geld

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