Mittwoch, 22. Mai 2013

Interviews (12)

Vom Lizbät zum Gaffel: Der kölsche Liedermacher Björn Heuser


Zur Person: Björn Heuser wurde 1982 in Ehrenfeld geboren und schrieb mit 13 seinen ersten kölschen Song. Nach dem Abitur studierte er Musik und arbeitet inzwischen auch als Dozent an der Kölner Uni. Seine Musikerkarriere begann an Kneipentheken, früh entstanden auch erste eigene LPs. Größere Popularität errang Heuser durch seine innovativen Mitsingkonzerte, bei denen das Publikum dank Textheftchen stimmlich mitwirkt. Seit 2008 steht er etwa im Gaffel am Dom auf der Bühne singt gemeinsam mit seinem Publikum kölsche Klassiker. Darüber hinaus tritt er auch mit seiner Band auf, die zuletzt das Album „Schloflos“ eingespielt hat. Ein weiterer Zweig ist die Arbeit mit Kindern, mit dem Projekt „Björns Bärenbande“ bringt er die kölsche Sprache in Kindergärten und Grundschulen. Björn Heusers Studio wohnt mit seiner Freundin in Bickendorf.

Im Ehrenfelder „Lizbät“ ist morgens um 11 noch nicht viel los. Auch Björn Heuser hat gerade erst gefrühstückt. Mit seiner Cola light in der Hand wirkt er außerordentlich entspannt, nicht wie ein Mann, der an die 300 Auftritte im Jahr absolviert.

Wer hat die Mitsingkonzerte erfunden?

Im Gottesdienst wurde schon immer mitgesungen. Und auch auf Karnevalssitzungen vor dem Krieg lagen Programmhefte mit Texten aus, denn früher wurden statt Klassikern immer neue Lieder vorgestellt.

Also dann: Wer hat diese Konzertform reanimiert?

Das nehmen ja inzwischen so einige für sich in Anspruch. Einen großen Schub brachte die Loss mer singe-Bewegung vor zwölf Jahren. Ungefähr zur gleichen Zeit habe ich auch mit meinen kölschen Abenden angefangen.

Wie ging das los?

Ich bin ein Kneipenkind, schon mein Opa hatte eine Gaststätte auf der Körnerstraße, wo ich aufgewachsen bin. Das kölsche Liederrepertoire habe ich dadurch praktisch mit der Muttermilch aufgesogen. Und irgendwann saß ich dann mit meiner Gitarre an Theken herum und habe diese Lieder vor und mit anderen gesungen.

Seit 2008 laufen deine Mitsingabende im Gaffel-Brauhaus, insgesamt kommst du da auf rund 200 Auftritte. Kannst du dich noch an den allerersten erinnern?

Oh ja, das war am 10.10.2008. Wenn der Laden voll ist, sind da bis zu 1.000 Leute, und davor hatte ich damals einen Heidenrespekt. Hinzu kam zu Anfang auch mein schlechtes Gewissen, weil ich dachte, die Menschen wollen vielleicht lieber in Ruhe ihr Hämchen essen und ein Kölsch trinken. Aber beim zweiten Lied sangen dann doch schon alle mit.

Normalerweise hadern Künstler nicht mit der Tatsache, dass plötzlich zehn Mal so viele Zuschauer wie sonst kommen.

Naja, ich war skeptisch, und ich will mit meiner Musik vor allem nicht aufdringlich sein. Anfangs ging man für die Gage sogar noch mit dem Hut rum, das hat sich zum Glück auch geändert.

Deine Skrupel haben sich inzwischen gelegt, nehme ich an.

Gottseidank, ja. Ich absolviere im Jahr an die 300 Auftritte. Und bei den Roten Funken am Neumarkt habe ich nur mit meiner Klampfe auch vor 7.000 Leuten gestanden.

Du hast Musik studiert. Wie verlief der Weg zum professionellen Musiker?

Wenn ich meine Abschlussprüfungen in Klavier und Gesang mit 1 bestehe, werde ich Profi, habe ich mir damals gesagt. Normalerweise stehe ich zu meinem Wort, und so auch in diesem Fall. Zum Glück hatte ich da auch sehr verständige Eltern.

Die dir jedes noch so schicke Plektrum finanziert haben?

Nein, das war gar nicht nötig, weil ich durch meine Auftritte immer schon mein eigenes Geld verdient habe.

Kaum jemand kennt den kölschen Liederschatz besser als du. Was zeichnet ihn aus?

Musikalisch-analytisch ist das eine sehr einfache Musik, ohne dass ich das jetzt negativ meine. Die Songs gehen selten über zwölf Töne hinaus, und mit drei, vier Akkorden kommt man durch die komplette Sammlung.

Eine dicke Trumm würde nicht reichen?

(lacht) Die stößt dann doch irgendwann an Grenzen. Wichtig sind aber nicht zuletzt die Texte, in denen es um die Menschen hier geht, um ihren Alltag und das Viertel, in dem sie wohnen. Jeder kennt eine alte Frau Schmitz, der man hin und wieder ein Blümchen schenkt.

Bei vielen Bands heutzutage hat man den Eindruck, man dürfe gar keine Songs mehr schreiben ohne Köln, Rhein, Dom und FC.

Ja, solche Lieder spiele ich nicht. Es gibt inzwischen über 200 kölsche Bands, und darunter sind viele Trittbrettfahrer. Die Texte, stelle ich fest, werden immer flacher.

Inwiefern?

Kölle über alles, Alaaf, Kamelle, Strüßjer und das war´s. Da freut man sich umso mehr über Newcomer wie Kasalla, die richtig gute Musik mit tollen, eigenen Texten machen. Jenseits ihrer Hits suchen die auch nach ganz anderen Themen.

Sind Kölner Lieder über Köln anders als Berliner Lieder über Berlin?

Ich glaube schon. So weit ich weiß, gibt es weltweit nur über New York mehr Songs als über Köln. Der Kölner ist durch seine Mentalität viel näher an seiner Stadt als andere, und viele Menschen hier sind echte Lokalpatrioten, ohne es überhaupt zu wissen. Die merken´s vielleicht erst, wenn sie sich Rosenmontag trotz Fieber aus dem Bett und auf die Straße quälen.

Dann ist der kölsche stärker als der Grippe-Virus.

Genau. Warum sonst kommen freitags 1.000 Leute ins Brauhaus zum Singen? Das ist das Kölngefühl, und dafür muss man zuhause keine rot-weiße Klobrille haben.

Was ist für dich ein Evergreen?

Zum Beispiel ein Lied wie das Meiers Kättche, bei dem jeder direkt einsteigen kann und wo jeder seine eigene Geschichte dazu hat. Das ist ja imgrunde ein trauriges Liebeslied, weil der Webers Mattes letztendlich gewinnt ...

Der Sack hat das Auto ...

Genau. Mir gefallen immer Lieder, die textlich nicht allzu plakativ daherkommen. Also etwa eine Nummer wie Drink doch eine met, über den alten Mann ohne Geld, der zu einem Bier eingeladen wird. Das mag ein bisschen naiv klingen, aber die Grundaussage, das Herzliche dahinter ist es, was Köln ausmacht.

Um von den Alten zu sprechen: Hat Ostermann den Karl Berbuers und Jupp Schmitz´ etwas voraus?

Er war der Erfolgreichste und hatte vielleicht das größte Repertoire. Aber Berbuers Camping-Leed ist ein genauso toller Song wie „Wat wor dat fröher schön doch en Colonia“. Diese Leute haben einen Grundstock gelegt, genau wie später die Fööss.

Neben deinen Soloauftritten hast du auch eine Band. Was wird mit E-Gitarre anders?

Vor allem, dass wir als Band meine eigenen Songs spielen. Ich habe mittlerweile rund 400 Nummern geschrieben, alle auf Kölsch natürlich. Und ich versuche mich dabei auch an Themen, die eben noch nicht allzu abgenutzt sind.

Zum Beispiel?

Auf meiner aktuellen LP „Schloflos“ handelt ein Lied von einem krebskranken Jungen, der im Sterben liegt. Wer ihn kennt, mag den Song vielleicht. Aber das ist definitv keine Feiermusik.

In welcher Tradition siehst du deine Songs musikalisch?

Das ist gepimpte Liedermachermusik, im Grunde wie bei BAP, die mir sowieso sehr wichtig sind. Die Lieder entstehen alle mit der Gitarre und werden dann durch andere Instrumente ergänzt und rockiger gestaltet.

Was kann der kölsche Dialekt besser als das Hochdeutsche?

Gefühle ausdrücken! Als ich in die Grundschule kam, musste ich erstmal Hochdeutsch lernen. Und meinen ersten Song, mit 13 zum Muttertag, habe ich selbstverständlich auch auf Kölsch geschrieben. Das ist für mich die einzige Sprache, in der ich meine Gefühle richtig formulieren kann.

Wo hat Kölsch Nachteile?

Für mich nirgends. Es sei denn, wir reden jetzt von kommerziellen Aspekten. Hochdeutsche oder englische Platten kann man sicherlich besser verkaufen. Kölsch ist für viele Nichtkölner eben nur Karneval und wird erstmal belächelt.

Um mit einer berühmten Frage zu enden: Warum gibt es kein kölsches Wort für Liebe?

Tja. (lacht) In der kölschen Sprache schwingt wahrscheinlich ohnehin genug Liebe mit. Und der Kölner legt sich eben auch nicht so gerne fest ...

Hinter „Ich han dich jän“ steht eher ein Komma als ein Punkt?

„Ich han dich jän“ heißt viel, aber nicht alles, dahiner steckt keine letzte Konsequenz. Aber ich kann als Texter und als Kölscher gut mit dieser Leerstelle leben und verzichte deshalb lieber auf Nothilfen wie „Leev“.

Also doch besser „Liebchen“?

Genau. Mit „sch“!


Weitere Informationen: www.heuser-koeln.de
Termine: Mitsingkonzert im Gaffel Am Dom, jeden Freitag ab 22.30 Uhr

Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

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