Dienstag, 7. Mai 2013

Interviews (11)

Der Greifvogel-Pfleger von Gut Leidenhausen:

Ratte, Taubenbrust oder Rinderherz

Zur Person: Karl-Heinrich Terglane wurde 1966 in Münster-Hiltrup geboren. In Essen absolvierte er eine Lehre zum Floristen, später kam noch eine Weiterbildung zum Garten- und Landschaftsbauer hinzu. Einige Jahre arbeitete er selbstständig, nicht zuletzt als Einrichter von Terrarien. 2005 kam Terglane nach Köln und begann ein Praktikum als Tierpfleger im Zoo. Seit August 2008 arbeitet er als Pfleger auf der Greifvogelschutzstation von Gut Leidenhausen. Karl-Heinrich Terglane wohnt mit seinen Tieren in der Kölner Innenstadt.

Ein Sonntagmorgen auf Gut Leidenhausen in Eil. Karl-Heinrich Terglane war wie immer früh aus den Federn, alle Vögel sind längst gefüttert und versorgt. Im gemütlichen Büro der Greifvogelschutzstation dreht sich der Tierpfleger ein Zigarettchen und lehnt sich zurück. Feierabend.

Was macht ein Vogeltierpfleger?

Wir halten zunächst mal die Volieren der hier lebenden Vögel sauber. Und darüber hinaus kümmern wir uns um die Tiere, die eingeliefert werden.

Wie werden Neuankömmlinge behandelt?

Wir arbeiten mit einer Tierärztin zusammen, die die Vögel gründlich untersucht und eine Diagnose erstellt. Die Tiere sind meistens sehr geschwächt, da reicht es nicht, denen ein Frühstück vorzulegen. Die müssen von uns oft regelrecht gestopft werden.

Womit?

Das kann Ratte, Küken, Taubenbrust oder Rinderherz sein. Die Fleischstückchen werden dann portionsgerecht zugeschnitten und den Vögeln per Pinzette verabreicht.

Reißen die den Schnabel sofort auf?

Vor allem Jungtiere machen kaum Probleme, zumal man die an jenen Härchen streicheln kann, die um den Schnabel herum wachsen. Bei älteren hingegen muss man zuweilen ganz von Hand arbeiten.

Sie züchten Ihre Ratten selbst. Werden die dann lebend verfüttert?

Nein, zu reinen Futterzwecken werden die vorher getötet, also in den Zustand des Frischfutter-Seins verbracht. Wir töten „human“, mit CO2, die Tiere schlafen friedlich ein, bevor sie sterben.

Als Laie stellt man sich Ihren Job hier recht romantisch vor. Wie ist die Wirklichkeit?

Eine Futterrunde sonntagsmorgens im Schnee ist sicherlich romantisch. Aber so einen halb verhungerten, schwer kranken Vogel wieder hochzupäppeln, ist eine komplizierte Angelegenheit. Immerhin hatten wir letztes Jahr eine Wiederauswilderungsquote von 63,5 %, damit können wir sehr zufrieden sein.

Auch während des Interviews geht der Tierpfleger stets ans Telefon, wenn es klingelt. Schließlich kommen bei ihm auch die Vogelnotrufe an, wenn im Stadtgebiet mal wieder ein verletztes oder sonstwie geschwächtes Tier entdeckt worden ist. Terglane vermittelt die Anrufer in so einem Fall an die Tierrettung derFeuerwehr, die den Vogel dann in Eil am Gut Leidenhausen abliefert.

Die Entlassung zurück in die Natur ist das Ziel Ihrer Einrichtung?

Ja. Die Vögel werden gepflegt, bis sie wieder allein fressen können, und kommen dann in spezielle Auswilderungs-Volieren.

Das ist also kein reines Altersheim hier?

Für die Vögel im öffentlichen Bereich gilt das schon. Sie sind aufgrund ihrer Verletzungen oder Erkrankung nicht mehr auswilderungsfähig und haben sich teilweise zu sehr an den Menschen gewöhnt. Im hinteren Bereich stehen hingegen Volieren, in denen sich die Vögel ihre natürliche Scheu bewahren. Dort sind auch große Wannen integriert, in denen die Tiere etwa das Jagen und Töten einer Ratte wieder erlernen können.

Sie müssen den Vögeln also zugleich helfen und ihnen fernbleiben?

Bei Jungvögeln bilden die ersten 13 Tage das Limit. Jenseits dessen können die Tiere fehlgeprägt werden, auch Mäusebussarde können durch zu viel menschlichen Kontakt fehlgeprägt und zu umgänglich werden.

Bilden sich unter den Patienten hier zuweilen Pärchen?

Die Schleiereulen kuscheln gern miteinander. Bei den Uhus haben wir sogar ein Zuchtpärchen, das schon zwei Mal Nachwuchs bekommen hat. Das müssen wir in Zukunft allerdings leider unterbinden, weil der Uhu-Bestand in NRW gesichert ist.

Sprechen Sie mit den Vögeln?

Sagen wir so: Ich rede beruhigend auf sie ein. Kein Vogel lässt sich freiwillig anfassen, da muss man sich schon etwas einfallen lassen. Also lobe ich den Vogel auch jedes Mal, wenn er gut abschluckt. Einigen haben wir auch Namen gegeben, da denke ich etwa an Ronja, Liebchen und Carl.

Haben die Vögel auch ihrerseits Begrüßungsrituale?

Der Mäusebussard Jacko, der 2012 mit fast 35 Jahren gestorben ist, hat immer laut gerufen, wenn man kam. Manche Vögel sehen einen an oder schlagen mit dem Schnabel, wobei man aber nie genau weiß, ob das eine Drohung oder eine freundliche Begrüßung ist.

Wie kann man Uhu und Kauz akustisch unterscheiden?

Naja, der Uhu macht „Buhu“. Der Waldkauz klingt nach „Huhu“, und der Steinkauz macht eher „Kuwitt“. Den kann ich allerdings nicht so einfach imitieren.

Ist es für Sie hier schon mal gefährlich geworden?

Eigentlich nicht. Aber wenn im Frühjahr die Balz losgeht, muss man ein bisschen aufpassen. Bei den Bartkäuzen trage ich dann einen Schutzhelm, weil die gern auf die Augen gehen. So mancher Hobby-Ornithologe ist deshalb einäugig.

Mit welchen Tieren hatten Sie bei Ihrem Praktikum im Kölner Zoo zu tun?

Vor allem mit Huftieren, also etwa Hirschen und Antilopen.

Und waren Sie als Kind eher der Kanarienvogel- oder der Meerschweinchen-Typ?

Ich hatte zuhause Reptilien und Fische. Und später auch Hühner und Enten, nicht zuletzt wegen der Eier.

Bei letzteren handelt es sich immerhin schon um Federvieh.

Ich hatte sogar mal einen Beo und einen Wellensittich, aber die unterscheiden sich doch ganz enorm von den Greifvögeln, mit denen ich es hier zu tun habe. Heimvögel leiden normalerweise auch nicht unter Parasiten oder Pilzen, wie es hier nicht selten vorkommt. Ganz zu schweigen von den Lausfliegen, die sich ins Gefieder einnisten und für unsere Vögel lebensgefährlich werden können.

Verzichten Sie auf Heimreptilien, seit Sie hier arbeiten?

Ich habe noch immer zwei Hahns Zwergaras und einen Gecko, der bald auch wieder Gesellschaft bekommen wird. Aber die Vögel hier faszinieren mich jeden Tag aufs Neue. Man darf auch nicht vergessen, dass diese Tiere eine wichtige Rolle im Ökosystem Wald spielen. Immerhin stehen sie an der Spitze der Nahrungskette und regulieren etwa die Mäuse- und Rattenpopulation.

Warum hat die Schutzstation nur einmal pro Woche geöffnet?

Weil diese Arbeit sehr personalintensiv ist. Wenn wir hier nicht einen Stamm von Ehrenamtlichen hätten, wären selbst diese Öffnungszeiten gefährdet. Natürlich sehen wir hier vor allem während der Ferien die vielen Familien vorbeispazieren und überlegen, in dieser Zeit auch wochentags zu öffnen. Aber das ist, wie leider so oft, eine Geldfrage.

Zum Schluss führt mich Karl-Heinrich Terglane noch in die Rattenzucht des Gutes Leidenhausen. In selbstgebauten, soliden Käfigen leben ca. 60 bis 80 Tiere - sauber, lieb und putzig. Manche pflegen ihren Nachwuchs, andere dösen im Stroh. Und einige von ihnen werden sogar von der finalen Verfütterung verschont und haben hier Wohnrecht auf Lebenszeit.



Weitere Informationen: www.sdw-nrw-koeln.de. Die Greifvogelschutzstation ist an Sonn- und Feiertagen von 10-17 Uhr (Winter) und 10-18 Uhr (Sommer) bei freiem Eintritt geöffnet. Jeden 3. Samstag im Monat findet um 15 Uhr eine kostenlose Führung statt. Sie lebt überwiegend von Spenden, u.a. besteht die Möglichkeit, Tierpate zu werden. Spendenkonto: 100 2971, Sparkasse KölnBonn.


Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

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