Mittwoch, 2. Januar 2013

Interviews (9): Uwe Krupp

Der Haie-Trainer


Zur Person:
Uwe Krupp wurde 1965 in Köln geboren. Von 1982 bis ´86 spielte er für die Haie in der Eishockey-Bundesliga (zwei Meistertitel) und wechselte danach in die amerikanische NHL. Den größten Erfolg seiner Karriere feierte er bei der Colorado Avalanche 1996, als er den Stanley Cup gewann. Krupp war der erste Deutsche, der diese die wichtigste Vereinstrophäe der Eishockeywelt in Händen hielt. Und er erzielte sogar den 1:0-Gesamtsiegtreffer in der dritten Verlängerung des vierten Finalspiels gegen die Florida Panthers.
Seine Trainerlaufbahn begann der 1,98 m große gelernte Verteidiger in Atlanta. Von 2005 bis ´11 fungierte er als Coach der deutschen Nationalmannschaft, zur kommenden Saison wird er an der Bande des KEC stehen. Uwe Krupp ist verheiratet und hat zwei Kinder. Das Gespräch fand vor geraumer Zeit im Haie-Trainingszentrum statt.

Herr Krupp, Sie hatten angekündigt, über Schlittenhunde reden zu wollen. Warum?

Es gibt eigentlich nur zwei Dinge, die ich in den letzten 25 Jahren intensiv betrieben habe. Das eine ist meine Sportkarriere und das andere der Umgang mit den Schlittenhunden.

Die entwickeln vor so einem Schlitten vermutlich ein ausgeprägtes Sozialverhalten.

Schlittenhunde sind keine typischen Begleithunde, die brauchen eine Aufgabe. Das ist ein Arbeitshund, der will ziehen.

Vorm Schlitten gibt es den Wheeler, den Leader undsoweiter. Die arbeiten also im Team?

Genau. Aber dazu müssen die Hunde gut trainiert werden. Wenn du die von der Leine lässt, laufen die weg, die wollen wissen, was hinter der nächsten Ecke und hinterm nächsten Hügel ist. Du musst die Energie eines solchen Hundes steuern, sonst wirst du mit dem nicht glücklich.

Sie haben selbst Schlittenhunde gezüchtet. Hat jeder seinen eigenen Charakter?

Ja, eindeutig. Der Leader muss Druck aushalten können, denn der ist dafür verantwortlich, dass die Leine straff bleibt. Sonst entsteht ein Knäuel, und nichts geht mehr vorwärts.

Woran erkennt der Züchter einen zukünftigen Leithund?

Das fängt sehr früh an, mit sechs, acht Wochen. Dann fährst du los, und der Wurf jagt dir nach. Und dann kommt meinetwegen eine Pfütze, da bleibt der eine Hund stehen, schnüffelt und umgeht die. Aber der andere jagt mitten durch, der will dir um jeden Preis hinterher. Das musst du beobachten, so lernst du die Hunde kennen mt ihren individuellen Eigenschaften.

Einen Schlitten zu ziehen, entspricht ja zunächst einmal nicht der Natur eines Hundes.

Nach drei Monaten etwa gehst du dann mit jedem Welpen einzeln los, um es an das Geschirr zu gewöhnen. Du ziehst dem Hund das an, streichelst ihn und spielst mit ihm, damit er das Geschirr mit positiven Erfahrungen verbindet.

Der Hund wird konditioniert.

Genau. Die Aufmerksamkeit, die er bei diesem Training bekommt, muss für den das Highlight des Tages sein. Und wenn er ein halbes Jahr alt ist, gesellst du ihn zu deinen pensionierten Rennhunden.

Wie der Schäfer, wenn er einen neuen Hütehund einarbeitet.

Ja, die lernen von den Alten, ganz spielerisch.

Es gibt die verschiedensten Schlittenhundrassen. Sie hatten Sibirische Huskys.

Das kam eigentlich zufällig. Meine ersten beiden Huskys habe ich mit 19 gekauft. Da war ich im Forstbotanischen Garten in Rodenkirchen und habe einen Mann mit einem Husky-Gespann auf Rollen gesehen. Und ich dachte: Tolle Hunde! Also bin ich dem gefolgt und habe ihm ein paar Fragen gestellt.

Liebe auf den ersten Blick?

Ich würde niemandem empfehlen, sich einen Sibirischen Husky als Haustier zu halten. 1986, kurz nach dem Kauf, musste ich zur A-WM nach Moskau. Meine damalige Freundin war dann völlig überfordert mit den Hunden, die haben unsere nagelneu eingerichtete Wohnung in diesen sechs Wochen total zerstört. Ein echter Alptraum!

Wie sind Sie da rausgekommen?

Ich habe mir ein altes Fahrrad aus dem Keller geholt und bin jeden Tag mit denen los, bis sie völlig erschöpft waren. Und mit der Zeit wurden aus diesen zwei unmöglichen Hunden brave, gefügige Haustiere. Das war eine sehr interessante Erfahrung für mich.

Haben alle Huskys diese kristallblauen Augen?

Nein. Sobald du wegkommst vom kosmetischen Züchten, das nur aufs Äußere achtet, variiert auch die Augenfarbe. Schlittenhunde müssen schnell sein, die müssen einen bestimmten Körperbau und einen eisernen Willen haben. Und nicht unbedingt blaue Augen.

Ich habe gelesen, dass inzwischen sogar Pudel als Schlittenhunde eingesetzt werden.

Ja, mit denen hat sogar mal einer das Iditarod-Rennen bestritten. Dieses legendäre rennen hat seinen Ursprung in einer Diphterie-Epidemie in Nome 1925. Weil das Wetter zu schlecht für Flüge war, wurde eine 1850 km lange Hundeschlittenstafette eingesetzt, um den Impfstoff dorthin zu bringen.

Dem letzten Hund, Balto, wurde sogar ein Denkmal in den New Yorker Central Park gesetzt.

Ja, der hat die letzten zwei oder drei Abschnitte allein bewältigt, weil sein Fahrer vor lauter Schneetreiben kein Zieldorf mehr gefunden hat.

Welchen Stellenwert haben Schlittenhundrennen in Alaska?

Einen sehr großen. Wenn das Iditarod-Rennen läuft, sind die Sportseiten jeden Tag voll davon.

Sie träumen davon, dieses Rennen einmal selbst zu bestreiten. Hört sich aber nach ziemlicher Plackerei an.

Das kommt auf die Zielsetzung an. Gewinnen kann man das sicher nicht, wenn man das nicht lebt. Aber ankommen, das kannst du mit einem guten Team schon schaffen.

Übernachtet man da neben dem Schlitten?

Nein, nein. Alle 100 Meilen gibt es einen Checkpoint, da gibt´s Futter für die Hunde und Tee für die Menschen.

Was fasziniert Sie daran?

Die Einfachheit dieser Existenz. Wenn du auf deinem Schlitten stehst, dann schaust du nur auf die Hunde. Diese Jungs musst du bei Laune halten, dafür musst du auf alles genau achten: die Position des Schwanzes etwa oder die Gangart. Und du musst früher erkennen als der Hund, dass es irgendwem nicht gut geht. Denn dein Schlitten kommt immer nur so schnell voran wie der langsamste deiner Hunde.

Amundsen soll auf dem Weg zum Nordpol die schwächelnden Hunde an die anderen verfüttert haben.

Bei solchen Geschichten zuckt man zusammen, klar. Bei einem heutigen Rennen wie dem Iditarod wird ein Hund bei der kleinsten Verletzung ins Krankenhaus geflogen. Aber es gibt natürlich auch heutzutage schwarze Schafe unter den Züchtern, die ihre Hunde schlecht behandeln.

Derart intensive Hundezucht ist mit einem Leben als Sportprofi sicherlich schwer zu vereinbaren, oder?

Du stehst morgens auf, dann brauchen die Hunde Wasser. Und Futter. Die wollen deine Aufmerksamkeit, dass du dich mit denen beschäftigst. Aber ich hatte immer Leute, die bei mir wohnten und sich um die Hunde kümmerten. Und ich hatte immer eine sehr kooperative Frau. (lacht)

Sie hatten zeitweise über dreißig Hunde.

Ja, das kannst du nicht allein bewältigen, da brauchst du ein gutes Team.

Gibt es Erlebnisse, die man mit Hunden, aber nicht mit Menschen haben kann?

Mit Hunden geht es vor allem sehr ehrlich zu. Und die Kommunikation ist einfacher, auch wenn Hunde nicht reden können. Die verlangen nichts, außer dass sie hinterher gestreichelt werden. Aber du bekommst auch unglaublich viel zurück. Die Arbeit mit Hunden war für mich das Interessanteste, was ich in meinem Leben gemacht habe.

Sie würden das über den Gewinn des Stanley Cups stellen?

So ein Titel ist eine Momentaufnahme. Aber das Leben mit den Hunden ist von Dauer. Die bestimmen letztlich, wo du wohnst, wie du deine Zeit verbringst, ob du in Urlaub fahren kannst oder nicht. Aber für mich war das alles in Ordnung so, das hat mir jeden Tag Spaß gemacht.


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