Mittwoch, 30. Januar 2013

Schöne Schilder (5)

Kegeln, Preisskat, Oldie-Mugge

Eine alte Kneipe im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern. Und was sie unternimmt, um nicht, wie so viele andere, zu sterben.
 


Singletanz



Preisskat


Oldie-Mugge


Kegeln


Und jetzt nochmal alle zusammen


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Mittwoch, 23. Januar 2013

Geschichten aus 1111 Nächten (32)

Drei weise Erzählungen aus dem barbarischen Umfeld der heiligen Stadt Köln

In Düsseldorf lebte ein unglücklicher Mensch, dem es einzig darum ging, steinreich zu werden. An einem Wintertag, er kam gerade völlig niedergeschlagen aus dem Wettbüro, entdeckte der Mann eine prall gefüllte Geldbörse unter der Eisschicht eines Schlaglochs.
Endlich, dachte der Düsseldorfer, sind meine Gebete erhört worden. Also hackte er mit den Schuhen drauflos und schlug sogar mit Steinen auf das Eis ein. Alles vergeblich. Der Mann sah sich um, er war keineswegs allein. Dennoch urinierte er schamlos auf die Geldbörse, um das Eis zum Schmelzen zu bringen. Und erwachte in einem völlig durchnässten Bett.

Auf der rechten Rheinseite bekam ein Gastwirt einst Streit mit einem seiner Tresentrinker. In der Folge biss er ihm die Nase ab. Als man ihn jedoch vor den Richter führte, behauptete er dreist, jener Gast habe sich die Nase selbst abgebissen.
„Aber die Nase sitzt doch genau über dem Mund!“ rief der Richter ungläubig. „Wie soll er sie sich denn selbst abgebissen haben?“
Und der schälsickige Gastwirt anwortete: „Er ist auf einen Thekenhocker geklettert."

Ein dreckiges Bäuerchen aus Bergheim machte sich auf den Weg in die große Stadt Köln, wo es ein Kerzchen für das Seelenheil seiner darbenden Familie entzünden wollte. Nie zuvor war der Mann von Zuhause fort gewesen, wo eine Frau, 14 schmutzstarrende Kinder und ein erbärmliches Stückchen Ackerland seiner harrten. Gerade hatte er den Kamm des Vorgebirges erklommen und die Domspitzen erspäht, als er zu seinen Füßen ein seltsam Ding entdeckte: einen Spiegel. Er sah hinein, erschrak und schrie aus: „Oh Gott wie fies! Kein Wunder, dass das jemand weggeworfen hat.“
Dann setzte er seinen Weg fort.

Immerhin hat er noch seine Nase



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Mittwoch, 16. Januar 2013

Thekentänzer (64)

Drinking Männi Manni

Englisch kann er nicht so gut, aber er trinkt gerne Guinness. Und deshalb sitzt Thorsten an diesem trostlosen Nachmittag wohl auch beim Iren rum. Kaum hat sich das amerikanische Touristenpärchen in die Thekennische gequetscht, legt er los:
„Einmal äwri wiek, ich in se Airisch Papp. Wer ar ju from?“
„Louisiana“, sagt die Frau mit den vielen Einkaufstüten. Das Jeanshemd ihres Mannes steckt in einer Jeanshose, die wiederum in wildledernen Cowboystiefeln endet. Die beiden revanchieren sich, indem sie nun Thorsten nach seiner Herkunft fragen.
„Ai äm from Leverkusen“, sagt er und macht eine Kunstpause, bevor er fortfährt: „Ai ßi it in jur feiß, sätt ju ßink, ai äm eine Tablette. Sät is se problem wiß Leverkusen.“
Aber die Amerikanerin antwortet nur: „Liverpool?“
Der Alter Markt ist inzwischen schneebedeckt. Männer schlagen ihre Mantelkragen hoch, Frauen binden sich die Schals übers Haar. Vor den anderen Kneipen stehen frierende Raucher, die zu sagen scheinen: Bleib bloß, wo du bist!
Weil weder die Kellnerin noch ich wissen, wie man „Praktikum als Orgelbauer“ übersetzt, beginnt Thorsten auf der Theke zu klimpern. Er verfällt in einen leiernden Singsang, schwenkt Kopf und Schultern und arbeitet dazu mit den Füßen auf imaginären Pedalen.
„Horowitz“, sagt die Frau.
„Jess, so ähnlich“, sagt Thorsten und leert zwischen zwei Akkorden sein Pint. Der tiefe Schluck scheint ihn auf andere Gedanken zu bringen:
„Drinking männi manni.“
Dann geht er in die Hocke, bückt sich nach vorn und tut so, als hebe er etwas Schweres vom Boden. Irritierenderweise stöhnt er nun sogar beim Sprechen:
„In mai Papp in Leverkusen, se Wirtin giffs mi Averna, wenn ai kärri se Bierkästen in se Keller. Sätt is greit for mi.“
Thorsten wechselt nun von den kölschen Trinkgewohnheiten zum Essen, aber wie man „Reibekuchen mit Apfelmus“ übersetzt, kann ihm niemand sagen. Also schält er eine „Poteito“, die er anschließend auf dem Tresen zubereiten will. Die Amerikaner kommen ihm jedoch zuvor: „We have to go“, sagt die Frau, und dann sind sie auch schon durch die Tür.
Draußen, im Schneegestöber, schütteln sie einhellig den Kopf, während sich Thorsten glücklich zu mir dreht:
"Und wo kommst du her?"

... und die Wirtin spendiert´n Averna

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Mittwoch, 9. Januar 2013

Geschichten aus 1111 Nächten (31)

Das verliebte Schwalbenmännchen

Der heilige Willy lag schief und krumm im Beichtstuhl von St. Maria im Kapitol und schlief seinen argen Rausch aus. Vom Heumarkt, wo er mit seinen Kumpanen Jean und Anton gezecht hatte, war er nicht mehr bis nach Hause gekommen. Gerade hatte sich eine dicke Fliege unter seine feuchte Nase gesetzt und ihn mit ihrem Gesauge geweckt, da belauschte er das Gespräch eines Schwalbenpärchens hoch oben unter dem Kirchdach. Das Männchen schien soeben einen Korb bekommen zu haben, denn es rief aufgebracht:
„Wie kannst du mich zurückweisen? Weißt du nicht, dass ich selbst den hohen Turm dieser Kirche zum Einsturz bringen könnte? Dass ich ihn sogar über Gott stürzen lassen könnte?“
Der heilige Willy, der die Sprache der Vögel beherrschte, schnaufte tief. Wie zornig war er auf den Vogel, weil er sich nun kraft seines Amtes erheben und einmischen musste!
„Wie kannst du solch einen Käu erzählen“, raunzte er das Schwalbenmännchen an. „Wie konntest du dich erdreisten, so etwas zu tun?“
Das Schwalbenmännchen, nicht auf den Schnabel gefallen, entgegnete:
„Du weißt doch, heiliger Willy: Man darf die Worte von Verliebten nicht auf die Goldwaage legen.“
Willy kratzte sich zwischen seinen verklebten Haaren und dachte nach. Hinten im Chor der Kirche entdeckte er eine gepolsterte Bank, die er in der dunklen Nacht übersehen hatte.
„Du hast recht“, sagte er zum Schwalbenmännchen.
Und ließ es davonfliegen.


Bier macht weise

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Mittwoch, 2. Januar 2013

Interviews (9): Uwe Krupp

Der Haie-Trainer


Zur Person:
Uwe Krupp wurde 1965 in Köln geboren. Von 1982 bis ´86 spielte er für die Haie in der Eishockey-Bundesliga (zwei Meistertitel) und wechselte danach in die amerikanische NHL. Den größten Erfolg seiner Karriere feierte er bei der Colorado Avalanche 1996, als er den Stanley Cup gewann. Krupp war der erste Deutsche, der diese die wichtigste Vereinstrophäe der Eishockeywelt in Händen hielt. Und er erzielte sogar den 1:0-Gesamtsiegtreffer in der dritten Verlängerung des vierten Finalspiels gegen die Florida Panthers.
Seine Trainerlaufbahn begann der 1,98 m große gelernte Verteidiger in Atlanta. Von 2005 bis ´11 fungierte er als Coach der deutschen Nationalmannschaft, zur kommenden Saison wird er an der Bande des KEC stehen. Uwe Krupp ist verheiratet und hat zwei Kinder. Das Gespräch fand vor geraumer Zeit im Haie-Trainingszentrum statt.

Herr Krupp, Sie hatten angekündigt, über Schlittenhunde reden zu wollen. Warum?

Es gibt eigentlich nur zwei Dinge, die ich in den letzten 25 Jahren intensiv betrieben habe. Das eine ist meine Sportkarriere und das andere der Umgang mit den Schlittenhunden.

Die entwickeln vor so einem Schlitten vermutlich ein ausgeprägtes Sozialverhalten.

Schlittenhunde sind keine typischen Begleithunde, die brauchen eine Aufgabe. Das ist ein Arbeitshund, der will ziehen.

Vorm Schlitten gibt es den Wheeler, den Leader undsoweiter. Die arbeiten also im Team?

Genau. Aber dazu müssen die Hunde gut trainiert werden. Wenn du die von der Leine lässt, laufen die weg, die wollen wissen, was hinter der nächsten Ecke und hinterm nächsten Hügel ist. Du musst die Energie eines solchen Hundes steuern, sonst wirst du mit dem nicht glücklich.

Sie haben selbst Schlittenhunde gezüchtet. Hat jeder seinen eigenen Charakter?

Ja, eindeutig. Der Leader muss Druck aushalten können, denn der ist dafür verantwortlich, dass die Leine straff bleibt. Sonst entsteht ein Knäuel, und nichts geht mehr vorwärts.

Woran erkennt der Züchter einen zukünftigen Leithund?

Das fängt sehr früh an, mit sechs, acht Wochen. Dann fährst du los, und der Wurf jagt dir nach. Und dann kommt meinetwegen eine Pfütze, da bleibt der eine Hund stehen, schnüffelt und umgeht die. Aber der andere jagt mitten durch, der will dir um jeden Preis hinterher. Das musst du beobachten, so lernst du die Hunde kennen mt ihren individuellen Eigenschaften.

Einen Schlitten zu ziehen, entspricht ja zunächst einmal nicht der Natur eines Hundes.

Nach drei Monaten etwa gehst du dann mit jedem Welpen einzeln los, um es an das Geschirr zu gewöhnen. Du ziehst dem Hund das an, streichelst ihn und spielst mit ihm, damit er das Geschirr mit positiven Erfahrungen verbindet.

Der Hund wird konditioniert.

Genau. Die Aufmerksamkeit, die er bei diesem Training bekommt, muss für den das Highlight des Tages sein. Und wenn er ein halbes Jahr alt ist, gesellst du ihn zu deinen pensionierten Rennhunden.

Wie der Schäfer, wenn er einen neuen Hütehund einarbeitet.

Ja, die lernen von den Alten, ganz spielerisch.

Es gibt die verschiedensten Schlittenhundrassen. Sie hatten Sibirische Huskys.

Das kam eigentlich zufällig. Meine ersten beiden Huskys habe ich mit 19 gekauft. Da war ich im Forstbotanischen Garten in Rodenkirchen und habe einen Mann mit einem Husky-Gespann auf Rollen gesehen. Und ich dachte: Tolle Hunde! Also bin ich dem gefolgt und habe ihm ein paar Fragen gestellt.

Liebe auf den ersten Blick?

Ich würde niemandem empfehlen, sich einen Sibirischen Husky als Haustier zu halten. 1986, kurz nach dem Kauf, musste ich zur A-WM nach Moskau. Meine damalige Freundin war dann völlig überfordert mit den Hunden, die haben unsere nagelneu eingerichtete Wohnung in diesen sechs Wochen total zerstört. Ein echter Alptraum!

Wie sind Sie da rausgekommen?

Ich habe mir ein altes Fahrrad aus dem Keller geholt und bin jeden Tag mit denen los, bis sie völlig erschöpft waren. Und mit der Zeit wurden aus diesen zwei unmöglichen Hunden brave, gefügige Haustiere. Das war eine sehr interessante Erfahrung für mich.

Haben alle Huskys diese kristallblauen Augen?

Nein. Sobald du wegkommst vom kosmetischen Züchten, das nur aufs Äußere achtet, variiert auch die Augenfarbe. Schlittenhunde müssen schnell sein, die müssen einen bestimmten Körperbau und einen eisernen Willen haben. Und nicht unbedingt blaue Augen.

Ich habe gelesen, dass inzwischen sogar Pudel als Schlittenhunde eingesetzt werden.

Ja, mit denen hat sogar mal einer das Iditarod-Rennen bestritten. Dieses legendäre rennen hat seinen Ursprung in einer Diphterie-Epidemie in Nome 1925. Weil das Wetter zu schlecht für Flüge war, wurde eine 1850 km lange Hundeschlittenstafette eingesetzt, um den Impfstoff dorthin zu bringen.

Dem letzten Hund, Balto, wurde sogar ein Denkmal in den New Yorker Central Park gesetzt.

Ja, der hat die letzten zwei oder drei Abschnitte allein bewältigt, weil sein Fahrer vor lauter Schneetreiben kein Zieldorf mehr gefunden hat.

Welchen Stellenwert haben Schlittenhundrennen in Alaska?

Einen sehr großen. Wenn das Iditarod-Rennen läuft, sind die Sportseiten jeden Tag voll davon.

Sie träumen davon, dieses Rennen einmal selbst zu bestreiten. Hört sich aber nach ziemlicher Plackerei an.

Das kommt auf die Zielsetzung an. Gewinnen kann man das sicher nicht, wenn man das nicht lebt. Aber ankommen, das kannst du mit einem guten Team schon schaffen.

Übernachtet man da neben dem Schlitten?

Nein, nein. Alle 100 Meilen gibt es einen Checkpoint, da gibt´s Futter für die Hunde und Tee für die Menschen.

Was fasziniert Sie daran?

Die Einfachheit dieser Existenz. Wenn du auf deinem Schlitten stehst, dann schaust du nur auf die Hunde. Diese Jungs musst du bei Laune halten, dafür musst du auf alles genau achten: die Position des Schwanzes etwa oder die Gangart. Und du musst früher erkennen als der Hund, dass es irgendwem nicht gut geht. Denn dein Schlitten kommt immer nur so schnell voran wie der langsamste deiner Hunde.

Amundsen soll auf dem Weg zum Nordpol die schwächelnden Hunde an die anderen verfüttert haben.

Bei solchen Geschichten zuckt man zusammen, klar. Bei einem heutigen Rennen wie dem Iditarod wird ein Hund bei der kleinsten Verletzung ins Krankenhaus geflogen. Aber es gibt natürlich auch heutzutage schwarze Schafe unter den Züchtern, die ihre Hunde schlecht behandeln.

Derart intensive Hundezucht ist mit einem Leben als Sportprofi sicherlich schwer zu vereinbaren, oder?

Du stehst morgens auf, dann brauchen die Hunde Wasser. Und Futter. Die wollen deine Aufmerksamkeit, dass du dich mit denen beschäftigst. Aber ich hatte immer Leute, die bei mir wohnten und sich um die Hunde kümmerten. Und ich hatte immer eine sehr kooperative Frau. (lacht)

Sie hatten zeitweise über dreißig Hunde.

Ja, das kannst du nicht allein bewältigen, da brauchst du ein gutes Team.

Gibt es Erlebnisse, die man mit Hunden, aber nicht mit Menschen haben kann?

Mit Hunden geht es vor allem sehr ehrlich zu. Und die Kommunikation ist einfacher, auch wenn Hunde nicht reden können. Die verlangen nichts, außer dass sie hinterher gestreichelt werden. Aber du bekommst auch unglaublich viel zurück. Die Arbeit mit Hunden war für mich das Interessanteste, was ich in meinem Leben gemacht habe.

Sie würden das über den Gewinn des Stanley Cups stellen?

So ein Titel ist eine Momentaufnahme. Aber das Leben mit den Hunden ist von Dauer. Die bestimmen letztlich, wo du wohnst, wie du deine Zeit verbringst, ob du in Urlaub fahren kannst oder nicht. Aber für mich war das alles in Ordnung so, das hat mir jeden Tag Spaß gemacht.


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