Dienstag, 30. Oktober 2012

Interviews (7)

Die Vorsitzende vom Trude-Herr-Fanclub

"...wie ein Stern am Himmel"

Das Haus Rüger in Zollstock ist eine über 100 Jahre alte Kneipe mit sehr kölscher Patina. Hier trifft sich allmonatlich der Trude-Herr-Fanclub, und hier sitzt an diesem Morgen auch dessen Vorsitzende Hilde Schmitz.

Sie heißen Schmitz ...

... mit t-z, wie „Tür zu“, genau!

Der Name klingt ausgesprochen kölsch.

Stimmt aber nicht ganz, ich bin gebürtig aus Bonn. Mein Vater war Schneider, stand aber auch mit meiner Mutter zusammen an Karneval in der Bütt.

Und wie kamen Sie nach Köln?

Ich habe in der Tankstelle am Verteilerkreis gearbeitet. Und Mitte der 1990er lag die rheinseitige Raststätte brach. Da haben wir dann 1997 den Trude-Herr-Fanclub gegründet und unsere ersten kleinen Erinnerungs-Shows veranstaltet.


Trude Herr kam zwar nicht aus Bonn, aber von der Schäl Sick.

Jein. Sie wuchs auf der „Insel“ auf, so nannte man damals das Arbeiterviertel zwischen Kalk und Mülheim. Ihr Vater war im Krieg und dann als Kommunist in Gefangenschaft, so dass sie praktisch nur von der Mutter großgezogen wurde.

Sie spielen seit neun Jahren im Ensemble von Wally Bockmayer. Mussten Sie dafür von Bönnsch auf Kölsch umsteigen?

Die Gigi sagt, ich hätte noch immer einen bönnschen Einschlag. Da sagt man zum Beispiel eher „ich woar“ als „ich wor“. Aber so langsam und mit Gigis Hilfe bekomme ich´s hin.

Warum interessieren Sie sich so intensiv für Gigi Herrs Tante?

Ich war schon früher immer in ihrem Theater, ich habe fast jedes Stück gesehen. Trude war eine Frau mit Rückgrat. Die hat nie ihr Fähnchen nach dem Wind gedreht.

Aber vom Fan zum Fanclub ist es noch ein recht großer Schritt.

Als 1995 auf dem Roncalli-Platz das Erinnerungs-Konzert lief, sagte der Tommy Engel, dass für Trudes Gedenken in Köln viel zu wenig getan wird. Und zwei Jahre später habe ich gesagt: Dann machen wir was!

Wie würden Sie Trude Herrs Stücke abgrenzen vom Millowitsch-Theater?

Der Millowitsch hat ja fertig geschriebene Komödien auf die Bühne gebracht. Trude hingegen hat sich ihre Stücke auf den Leib geschrieben, selbst Regie geführt und die Hauptrolle gespielt.

Inwiefern war das Volkstheater?

Man konnte immer sehen, dass sie die Menschen sehr genau beobachtet hat - und ihnen dann den Spiegel vorhielt.

Haben Sie Trude Herr persönlich kennengelernt?

Nein, da fragen Sie mal besser den Michel.

Hilde Schmitz zeigt dabei auf Michel van Haasteren, den Wirt von Haus Rüger. Zahlreiche Fotos, Filmplakate und Gemälde von Trude Herr schmücken die Wände seiner Kneipe, darunter eines vom Kölner Maler Walter Raab.

Glauben Sie, dass Trude Herr eine liebenswerte Person war?

Sie war vor allem ein Mensch mit Ecken und Kanten. Ich bewundere sie dafür, dass sie eben nicht jedem nach dem Mund geredet hat. Einfach war sie bestimmt nicht, mit der Trude konnte man schon mal aneinandergeraten.

Man hört oft, dass sie ein ziemlich harter Knochen war.

Natürlich hat mir da auch die Gigi einiges erzählt. An ihrem Theater wurde genau das durchgesetzt, was sie wollte, da gab es nichts.

Das Trude-Herr-Denkmal in der Südstadt


Auf Ihrer Club-Website nennen Sie Ihr Idol eine „große Künstlerin“.

Ja, weil sie so ungeheuer vielseitig war. Die hat nicht nur Theater gespielt, Regie geführt und Stücke geschrieben, sondern auch Songs und Bücher. Und dann hat sie ja auch in unglaublich vielen Filmen mitgemacht.

Stimmt, bis zum eigenen Theater war es ein langer Eselsweg.

Trude Herr hat mit einer Wanderbühne angefangen und ein erstes kleines Theater in einer Kohlenhandlung unterhalten. Als das dichtmachen musste, war sie Bardame im Barberina, Kölns erstem Homosexuellen-Lokal. Und in der Karnevalsbütt oder auf der Millowitschbühne hat sie auch gestanden.

Bundesweit wurde sie zumeist auf das Klischee des kleinen, dicken, lustigen Mädchens reduziert.

Ja, ich glaube, sie hätte gern auch mal andere Rollen gespielt. In ihrem Stück „3 Glas Kölsch“ starb sie als versoffenes Lenchen auf der Bühne. Aber so wollten die Leute sie nicht sehen, da stand das Theater kurz vor dem Ruin. Also hat sie kurzfristig ihr Erfolgsstück „Scheidung op Kölsch“ wieder aufgenommen.

Glauben Sie, dass sie auch privat so laut und schrill war?

Sicherlich hatte sie diese Seite. Aber imgrunde war sie doch sehr sentimental, sehr in sich gekehrt. Ein nach innen weinender Clown, so würde ich es ausdrücken.

Ihr hing somit auch etwas Tragisches an?

Ja, vor allem hatte sie nie Glück mit ihren Männern.

Warum wohl?

Vielleicht war sie zu stark, ich weiß es nicht.

Auch ihr Verhältnis zu Köln war nicht ungebrochen.

Sie liebte diese Stadt, aber vermisste die Unterstützung von den offiziellen Stellen. Trude Herr war zu unbequem für diese Leute von der Obrigkeit.

Fühlen Sie selbst sich inzwischen als Kölnerin?

Oh ja, und das ist für mich auch eine wunderbare Stadt. Bonn ist langsam und schläfrig, Köln hat viel mehr Kawumm!

Wie muss man sich solch einen Fanclub-Abend hier in Zollstock vorstellen?

Wir halten die Erinnerung wach. Wir hören Trudes Lieder, wir lesen uns etwas von ihr vor, und manchmal hat auch jemand etwas ganz Neues herausgefunden, darüber wird dann gefachsimpelt. Zum Beispiel sichten wir gerade unveröffentlichte Lieder aus Trude Herrs Hinterlassenschaft, vielleicht kann man die irgendwann mal herausbringen.

Wäre Ihre Sammlung nichts für eine Ausstellung im Kölner Stadtmuseum?

Vor zehn Jahren hieß es mal, die hätten zu wenig Räumlichkeiten. Und wir hätten selber eine Versicherung abschließen müssen, ich glaube, es gab da von Seiten des Stadtmuseums einfach kein echtes Interesse.

Haben Sie ein Lieblingslied von Trude Herr?

„Verstehen“, das hat sie in Sydney aufgenommen, sehr melancholisch. „Drum vergesst mich und versteht/ Was heißt Freundschaft, was Verlassen?“ heißt es darin.

„Irgendwas von dir bleibt hier“, lautet ein Vers aus ihrem berühmtesten Song „Niemals geht man so ganz“. Was bleibt von Trude Herr?

Letztens war ich mal wieder am Trude-Herr-Denkmal in der Südstadt. Da schimpfte eine türkischstämmige Mutter mit ihrem Jungen, weil der gegen das Denkmal mit dem Fußball schoss. Und was sagt der Kleine im schönsten Kölsch? - „Mama, ich will doch nur e bessje mit der Trude Doppelpass spille.“

Werden Trude Herrs Stücke eigentlich noch irgendwo gespielt?

Oh ja, zuletzt wurde die „Scheidung op Kölsch“ in Bochum und Duisburg aufgeführt. Und hier im Kellertheater lief im vergangenen Jahr „Die Millionärin“.

Haben Sie jenes Denkmal auf dem Trude-Herr-Platz mit angestoßen?

Das haben wir aufgestellt, die Stadt Köln hat da keinen einzigen Cent zugegeben. Und das ist auch noch immer nicht fertig.

Die Skulptur besteht aus rostigen Eisenplatten.

Ja, die sollen auch rosten, so entstand dieses gold-braune Schimmern. Aber jetzt, wo der Rost angesetzt hat, müsste da eine Glasur drüber. Das würde rund 2.000 Euro kosten, aber die haben wir nicht. Zumal einige Spenden zwar angekündigt wurden, aber nie angekommen sind.

Im Scala-Theater verkörpern Sie zur Zeit Ihr Idol sogar persönlich: Sie spielen die Trude in „Trude zum Dessert“. Was ist das für ein Gefühl?

Hilde Schmitz zögert länger, bevor sie auf diese Frage antwortet, und setzt auch mehrmals neu an. Dann jedoch wird sie dezidiert:

Für mich ist Trude Herr ein Star - aber so wie ein Stern am Himmel. Man kann die Erinnerung zum Leuchten bringen. Auf der Bühne kann ich versuchen ihr nachzueifern. Aber die Trude war einmalig, erreichen wird man so eine Frau nie!

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Zur Person

Hilde Schmitz wurde 1949 in Bonn geboren. Das Nesthäkchern dreier deutlich älterer Geschwister machte ein Lehre als Bankkauffrau, zog mit Tupperware über Land und ein Kind groß.
1997 gründete sie mit Freunden den Trude-Herr-Fanclub und begann, Erinnerungsshows für die Kölner Schauspielerin zu veranstalten. Bei der Denkmalenthüllung 2002 auf dem Trude-Herr-Platz in der Südstadt wurde sie von Wally Bockmayer für sein kölsches Scala-Theater engagiert. Hilde Schmitz lebt in Zollstock.

Der Trude-Herr-Fanclub trifft sich jeden zweiten Dienstag im Monat ab 19 Uhr im Zollstocker Haus Rüger, Höninger Weg 200. Jeder interessierte Gast ist willkommen (www.trude-herr-fanclub.de).


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