Mittwoch, 29. August 2012

Thekentänzer (60)

Basti und sein Bifimädchen

Nebenan bei den Arabern geht es zur Sache. Vor dem Café wird brachial diskutiert und mit den Fäusten gefuchtelt. Einen hat es erwischt, der darf nicht mehr rein. Ganz gelassen bleibt nur der alte Mann in seinem PKW. Steigt nun aus und umgreift den Oberarm des Geschassten. Zieht ihn, gelassen, zum Auto und drückt ihn auf den Beifahrersitz. Eine Vater-Sohn-Geschichte, was sonst.
Die Frau am zweiten Hochtisch starrt seit zwei Stunden die Wand an. Ihre Becksflasche steht unberührt neben dem Aschenbecher. Auf ihren Rücken fällt der letzte Sonnenstrahl des Abends. Noch immer zeigt das Thermometer 30 Grad im Schatten.
„Meine Oma ist 101 geworden“, sagt der Weintrinker. „Und dann ist sie friedlich in ihrem Ohrensessel hingeschieden.“
Schönes Wort: hinscheiden. Und seltsame Bestellung, noch nie hat eine Frau bei mir nach Bifi gefragt. Aber dieses neue Pärchen da: „Zwei Bier und zwei Bifis bitte. Auf Basti.“
Ob sie´s wegen der ganzen „b´s“ gemacht hat? Bestimmt!
Der alte Araber lässt den Motor an, während sein Sohn durchs Seitenfenster gen Café gestikuliert. „Ich komme wieder“, scheint er zu sagen, „und dann gnade euch Allah.“
Die Typen vorm verhangenen Caféfenster lachen, schütteln die Köpfe, ziehen an ihren Zigaretten. Eine Freundin der sedierten Frau taucht auf, nimmt sie in den Arm, hilft ihr vom Stuhl, führt sie hinaus. Ich winke ab, die Freundin nickt, scheiß auf die 2 Euro 30.
Die beiden mit den Bifis sind schwer verliebt. Trinken aber immer noch eins, großer Fehler. Irgendwann werden sie den Punkt überschritten haben, die wären besser eher nach Hause gegangen. Der Junge, Basti, stößt beim Reden schon den Zeigefinger in die Luft.
„Die hat jeden Tag eine Flasche Wein getrunken, meine Oma. Besser als Klosterfrau Melissengeist, was meinst du, wie viele alte Menschen durch Klosterfrau Melissengeist zum Alk geworden sind. Ich sage nur: 80 Umdrehungen, da stirbst du, wenn du das pur trinkst!“
„Meine Oma steht sowieso mehr auf Sechsämtertropfen“, sage ich, obwohl das nicht stimmt. Danach schütte ich uns zwei davon ein, damit Ruhe ist.
Auch nebenan hat sich die Spannung gelöst. Der Querulant ist fort, nur ein paar zertretene Kippen auf dem Trottoir zeugen noch vom Aufstand vorhin. Basti lallt jetzt ein bisschen, und sein Bifimädchen nickt müde mit dem Kopf. Der Ventilator ächzt unter seiner Last aus Staub und toten Insekten, alle schwitzen und schweigen. Außer dem Weintrinker:
„Mit meiner Oma würd ich gerne nochmal die Sau durchs Dorf treiben“, sagt er.

Abendliches Idyll

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