Mittwoch, 18. Januar 2012

Thekentänzer (52)

Knatschen und Knutschen

Ramonas Hund ist gestorben. Der war alt, aber seitdem sitzt sie jeden zweiten Tag hier. "Den Gin mindestens halbe-halbe zum Tonic", sagt sie immer.
Damit die Dunkelheit da draußen nicht so grell wirkt, sind die Lichter bis zum Anschlag heruntergedimmt. Eine deutsche Band singt, dass sie "nicht nach Berlin" will, und am Kicker kurbeln zwei junge Studenten.
"Ich arbeite ja jetzt seit sechs Wochen an der Tanke", sagt Ramona. "Für den Bono war das schomma ganix, ich kam ja kaum noch raus mit dem."
Ihre verlängerten Fingernägel schimmern grau-silbrig, ihr verlängertes Haar goldig-blond.
"Der Chef da ist Grieche, der sagt, ich soll mir ein Kopftuch anziehen, wenn ich die scheiß Brötchen ausm Ofen hole. So ein Spießer ist das, glaubst du?!"
Ramona ist groß, früher hat sie mal Handball gespielt. Sie hat ihre Ärmel hochgekrempelt und die Ellbogen auf die Theke gestützt.
"Mach der Frau mal nochn Gin Ti", sagt der, der seinen Deckel auf Mick hat machen lassen. Dann geht er breitbeinig zu ihr rüber, in die Nische am Fenster.
"Meine Kumpels nennen mich Mick", sagt er.
Auch mir hat er sich so vorgestellt, und dann hinzugefügt: "... Mick, und was die Frauen an mir mögen, reimt sich drauf."
Ramona schüttelt nur leicht den Kopf, also bleibt Mick bei ihr.
"Ich mariniere mir meine Mandeln seit zwanzig Jahren mit rotem Genever. Und jetzt tuste mir noch einen, aber bisschen kälter als der letzte. Die haben hier keinen kalten Genever, Lady, aber gerade den roten musst du richtig eiskalt trinken, weißt du."
Mick trägt eine Fönmatte und das Hemd zwei Knöpfe zu weit offen. Das Wort "marinieren" hat er versucht, besonders hochdeutsch auszusprechen. Er ist braungebrannt und kräftig, Dummheit und Selbstbewusstsein halten sich bei ihm ungefähr die Waage. Wie das halt so ist.
"Ich bin ene kölsche Kraat, weißte. In Seeberg kennt mich jeder."
"Mich nicht", sagt Ramona, und zu mir gewandt: "Der Grieche sagt auch immer, ich soll mir die Fingernägel schneiden. Und klar, dabei glotzt der mir dreist auf die Tittenichfändgutderwärauchpleitewieseinscheißland."
Mick verzieht das Gesicht wie jemand, der große Schmerzen hat. Oder wie einer, der sich plötzlich eine Nummer zu klein fühlt. Eigentlich sieht er aus wie ein Grieche. Ein paar Genever später erzählt er von einer Prügelei, bei der er zwei Gegner ausgeknockt hat. Und von früher, vom Mopedsklauen, "sone Möhre hab ich an, bevor n anderer überhaupt dat Zündschloss findet, Alter". Als er auf die Schweine zu sprechen kommt, die seinen Hund vergiftet haben, hat er Ramona endlich rum. Erst knatschen, dann knutschen, wie das eben so ist. Und als Ramona dann mit ihren großen Händen seine Wangen umfasst und die Finger lang über Micks Gesicht streckt, kann ich mir mal in Ruhe ihre Nägel betrachten. Irgendwie süß, dass auf jedem von ihnen ein kleiner, putziger Welpe klebt.

Zwischen Männern und Frauen wirkt eine gottgegebene Anziehungskraft

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