Mittwoch, 9. November 2011

Geschichten aus 1111 Nächten (15)

Die Lumpen vom Stadtrat

Es war einer dieser Tage, an denen Anton seine Stadt einfach nicht mehr ertragen konnte. Die Bahnen waren ausgefallen, die Straßen verstopft mit Baustellen, und seinen rostigen, gleichwohl intakten Drahtesel hatte das Ordnungsamt ohne Vorwarnung vom Lampenmast geflext. Und weil er in seiner Stammkneipe nicht mehr rauchen durfte; und weil er zum Monatsende hin ohnehin viel zu blank für die Kneipe war, beschloss Anton, eine Ratssitzung zu besuchen.
„Die han ming Rädche vum Mast jeflex!“ ging er die von überall herbeischlendernden Volksvertreter an. Der von der CDU sah sich nach einem Ordnungshüter um, der von der SPD grinste. Der von der FDP blickte angewidert weg, die von den Grünen drückte ihm einen Euro in die Hand. Und der von der Linken ballte die Faust gen Himmel. Anton verstand nichts von alledem und setzte sich auf den Balkon für die Zuschauer.
Als es nach drei Stunden noch immer nicht um sein Fahrrad ging, platzte ihm der Kragen:
„Die Hälfte von euch sind verdammte Lumpen!“
Das wollten die Politiker natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Anton wurde aus dem Saal geführt, und statt seinem Fahrrad bekam er eine Ordnungsstrafe über 50 Euro. Anton besann sich. Und überlegte. 50 Euro, dachte er, das sind 200 Kippen. Das sind 40 Kölsch. Das sind zehn Fahrradschläuche. Also ging er im Monat darauf wieder zur Ratssitzung. Und als sich alle gesetzt hatten und der Herr Oberbürgermeister die Eröffnung verkündete, da beugte sich der Anton über die Brüstung und rief:
„Die Hälfte von euch sind keine verdammten Lumpen!“

Streng bewacht: Das Rathaus zu Köln


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