Mittwoch, 24. August 2011

Straßenkämpfer (18)

Ernie der Otter

Sein Holz reichte noch für vier Jahre. Eigentlich hatte Ernie sich genau danach richten wollen, nach dem Holz. Aber dann packte er doch seine paar Sachen und verließ die kleine, schäbige Hütte.
In der Stadt erkannten sie ihn nicht wieder. Sein langer, grauer Bart und auch, dass er Selbstgespräche führte, machte die Leute misstrauisch. Erst als sie ihn Whiskey trinken sahen, schienen sie ihn als Menschen in ihrer Menschenrunde aufzunehmen.
„Nun kuck dir den alten Runzelspecht an“, sagte ein junger Kerl vom Ende der Theke, „trinkt Whiskey wie ein Otter.“
Und damit war Ernie ja doch wieder irgendwie nur ein Tier.
Und da stand er also: Ernie Otter im Saloon seiner Wahl bestellte sich einen Whiskey.
„Geht klar, Ernie“, sagte der Wirt.
Er trug eindreckiges altes Handtuch über der Schulter, und als er sich nach dem Schnaps umdrehte, fiel Ernie die schwarze, krustige Delle in seinem Nacken auf.
„Was hast du denn da für ein widerliches Loch im Nacken?“ fragte Ernie.
„Ne alte Schusswunde“, sagte der Wirt, „geht dich garnix an, Ernie.“
„Na, aber für ne gute Geschichte aus alten Zeiten bin ich immer zu haben“, hakte Ernie nach.
„Trink deinen Schnaps und halt´s Maul“, sagte der Wirt.
Aber dann, viel später, stellte sich ein steinalter Cowboy neben Ernie, und der erzählte ihm die Geschichte von der Schusswunde. Ernie amüsierte sich hervorragend beim Zuhören, aber er war zu dem Zeitpunkt schon dermaßen besoffen, dass er am nächsten Morgen alles komplett vergessen hatte.

Später hat Ernie es dann doch noch zu was gebracht



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