Mittwoch, 29. Juni 2011

Straßenkämpfer (17)

Her mit dem schönen Leben!

„Es geht doch nicht um mich“, schreit der Mann. „Es geht um dich, es geht um dein verdammtes Leeeeben!“
Noch viele Male schreit er diesen Satz und tritt dabei auf die parkenden Autos der Sternengasse ein. Es scheppert, alle Fenster springen auf.
Auch die Frau blutet, das Blut rinnt ihr von der Hand zum Ellbogen. Mit hochgestelltem Unterarm kniet sie auf der Straße und sammelt das Geld ein, das ihr Freund dort hingeschmissen hatte.
„Du dreckiger Bastard, du kannst mich mal.“
„Jetz is aber gut“, ruft ein Anwohner vom Balkon. Das Handy hat er schon am Ohr, die Polizei wird bald da sein.
„Du hältst dich da raus, du fetter Arsch.“
Ihr Freund ist in die nächste Gasse abgebogen und wütet dort weiter.
„Nu lauf dem doch nicht auch noch hinterher, Mädchen“, sagt eine ältere Frau am Fenster.
Aber sie läuft ihm hinterher.
Acht Stunden später am Breslauer Platz: Die Frau steht an einem Tisch der Würstchenbude, neben ihr ein anderer Mann. Sie benehmen sich ruhig, unauffällig und diskutieren darüber, wer die nächste Flasche Bier kauft. Der Unterarm der Frau ist jetzt verbunden, der Verband ist schmutzig. Unter ihren Fingernägeln klebt getrocknetes Blut. Als sie zum letzten Schluck ansetzt, fließt ein Schwall Bier aus ihrem Mundwinkel.
„Ich liebe den nicht mehr“, sagt sie und wischt sich über den Mund. „Ich liebe den nicht mehr, den Wichser.“
Dann geht sie los, in den Bahnhof hinein. Auf ihrem rechten Unterschenkel trägt sie eine Tätowierung: einen Mann, der sich den Kopf wegschießt. Das Blut spritzt zu allen Seiten,
schräg weg, nach vorne zum Schienbein.



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