Mittwoch, 22. Dezember 2010

Fotoroman (4)

Die Lady mit dem Dufflecoat

Jake saß im Schlösselchen, einer schäbigen kleinen Kneipe in Sülz. Um ihn herum unterhielt man sich, aber Jake summte ganz allein ein Liedchen vor sich hin: „Chicken is nice“. Es handelte von Frauen, die schlecht kochen, Frauen, die dich fertig machen und für den nächstbesten Mistkerl verlassen. Nach sieben Bier zog Jake weiter. Die Lady im Dufflecoat war ihm schon auf dem Hinweg aufgefallen. Jake trat hinter einen Baum und fotografierte sie heimlich.


Im Haus Keldenich diskutierten zwei alte Säcke.
„Der Typ hat Hände wie Bratpfannen, Heinz!“
„Wenn du den richtig triffst, fällt der auch, Willi.“
Jake summte weiter: „I don´t want no wife from Robert´s Falls/ Don´t want no wife from Robert´s Falls/ The only dish she can cook is fried fish/ I don´t want no wife from Robert´s Falls.”
Und draußen stand die unbekannte Frau und lächelte geheimnisvoll.


Jake war inzwischen nicht mehr ganz nüchtern. Im Stiefel auf der Zülpicher haute er sich in die Nische links vom Tresen. „Hamburg ist von Darmstadt weiter weg als Köln“, sagte der Kleine mit der Lederjacke. „Ja“, antwortete sein Jeansjackenkumpel, „und Frankfurter können nicht fechten.“
Bob Dylan schlief bei Dave van Ronk, als er Ende der 50er nach New York ins Greenwich Village kam. Van Ronk hatte den Song angeblich aus Liberia: „I don´t want no wife from Cape Palmas/ Don´t want no wife from Cape Palmas/ If I move around, she´ll put me in the ground/ I don´t want no wife from Cape Palmas”.
Als er die Frau vor dem Stiefel entdeckte, stellte er fest, dass sie rauchte. So langsam machte Jake sich Sorgen.


Das Versus hieß früher Schmeller und noch früher Hatsch. Ja, genau: Das sollte tatsächlich an „Hatschi“, das Niesgeräusch, erinnern. Jake war nun völlig hinüber, es ging ihm gut.
„Du bist heute schon die dritte Claudia“, sagte der Kellner und notierte sich den Namen.
„Na und“, sagte Claudia. Ihre Wildlederstiefel waren durchweicht vor Nässe, Kajal tropfte ihr auf die Knie. Jake sah zu, dass er Land gewann: „I don´t want no wife from Sino/ Don´t want no wife from Sino/ If I go out late at night, she´ll challenge me to a fight/ I don´t want no wife from Sino”. Der Mantel der Frau hatte große Taschen. Jake fragte sich, was darin verborgen war.


„Schock 5 in 2, Baby“, sagte der bebrillte Bartträger.
„Für solche Momente wird man ein großer Junge, gell“, antwortete der unbebrillte Bartträger. Im Metronom lief Lionel Hampton, klimperklamper auf dem Vibraphon. Die Frau ließ sich nicht abschütteln.
Der Unbebrillte reichte dem Kellner sein Handy: „Sag mal: ´Komm her!´“
Der Kellner tat, wie ihm geheißen: „Und? Ist sie hübsch?“
„Nein, das war nur mein großer dicker Papa.“
Die Frau machte sich keine Mühe, ins Dunkel abzutauchen. Ob sie wohl kochen konnte? „I don´t want no wife from Monrovia/ Don´t want no wife from Monrovia/ When my money gets low, to another she´ll go/ I don´t want no wife from Monrovia”.


Als Jake gegen 2 aus dem Blue Shell fiel, war die Frau verschwunden. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so einsam gefühlt. Der Vollmond schielte durch das dichte Schneetreiben, um ihn herum starben die letzten Menschen. Jake drückte sich zwischen zwei parkende Autos, stützte sich auf dem Auspuffrohr ab und legte sich schlafen. Und Dave van Ronk, der riesige Holländer, sang sein Lied zu Ende: „But chicken is nice/ chicken is nice/ chicken is nice with palm butter and rice.“


Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hi und so, danke, macht meinen Tag, Starkbierstark. Für's erste angenehm, für's zweite locker, entspannt und lässig dabei, für's dritte folgen. Gutgruß.