Mittwoch, 3. November 2010

Deutschlandreisen (5)

Bürgerbräu in Bad Reichenhall

In Bad Reichenhall trinkt man Bürgerbräu, und so heißt auch das, ja, „urigste“ Hotel am Ort. Aus allen Brunnen der Stadt fließt Salzwasser, das von der Saline kommt. Bad Reichenhaller Salz kennt jeder:



... und bei einer Saline handelt es sich um folgendes: Erst war das Meer da, vor Jahrmillionen. Und als es sich zurückzog, hinterließ es Salz, das irgendwann durch tektonische Verwerfungen von Stein eingeschlossen wurde. Der Wasserlauf, der dieses Salz wieder aus dem Felsen wäscht und in sich aufnimmt, heißt genauso Saline wie das Bergwerk, das dieses „Weiße Gold“ wieder dem Wasser entreißt. Schon die Römer (wie oft fangen Sätze eigentlich mit „schon dier Römer“ an?), schon die Römer also, und auch vorher die Kelten, wussten den Schatz im äußersten Südosten Bayerns zu nutzen. Und übrigens: Auch das Wort „Hall“ bezeichnet ursprünglich ein Salzvorkommen, und von hier aus entwickelte sich auch der Stadtname: Reich an Hall.


All dies erfährt man bei einer Führung durch das alte, wunderbare, noch immer intakte und aktive, als Unesco-Welterbe firmierende Bergwerk. Aber dafür muss man auch, so die Führerin, 300 Stufen erklettern.
„Ich habe die Knie kaputt, dann will ich mein Geld zurück“, sagt eine der alten Frauen um mich herum. Klar, Wochentag und Mittagszeit, welcher Nichtrentner will jetzt schon ins Salzbergwerk!
„Für meinen Mann ist das auch nichts mit dem seiner Raucherei.“
Und so bleiben von zehn Anwesenden nur zwei übrig, zum Glück ist mein Kompagnon ein rechtschaffener Bildungsbürger.


Die Salzprobe war sehr dursttreibend. Kaum auf dem Rathausplatz hingesetzt und ein Bier geordert (Bürgerbräu), kommt auch schon eine Kapelle anmarschiert. Interessant ist: Die Dicken mit den dicken Trommeln (Sechs an der Zahl) stehen in der ersten Reihe, die anderen, die sich immerhin mit der Melodie abmühen, müssen in diesem Landstrich nach hinten. Nach dem Holzmichel widmet man sich John Denvers Country Roads, und nach dem zweiten Halben suche ich das Weite.
„Ich bin beim Barras“, sagt der junge Kerl im Pazzo. Genau wie die Kellnerinnen kommt er aus der DDR. Was in Köln die Türken und in Luxemburg die Portugiesen, sind in Bayern die Ossis: billige Fremdarbeiter. Ansonsten ist es noch leer hier im Club, aber „Eye of the Tiger“, volle Motte laut, abends um 7 in Bayern, hat mich reingelockt. Die Kellnerinnen flüstern, ich fühle mich ein bisschen alt hier: „Sind Sie von der Lebensmittelaufsicht?“
Nein, das hat sie nicht gefragt.
„Kriegst du noch eins?“
„Ja.“
Letztens am Westwall sagte einer zu mir: „Ich bin ungedient.“ Jetzt ist einer „beim Barras“. Deutschland ist groß und verfügt über einen reichen Sprachschatz. Abends im Bürgerbräu werde ich an einen dieser riesigen bayrischen Brauhaustische gewiesen. Sechs Menschen aus Velbert setzen sich dazu, Delegation einer bergischen Tambourtruppe. Nächstes Jahr wollen sie auf dem Reichenhaller Rathausplatz spielen.
""Haben Sie auch John Denver im Repertoire?" frage ich.
"Nein", sagt der Wortführer, bei uns geht das eher so´n bisschen Richtung Jazz."

Bayrische Haxe



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