Mittwoch, 20. Oktober 2010

Deutschlandreisen (4)

Boccia in Bonn

Was schreiben Sie da eigentlich die ganze Zeit?“ fragt mich der Führer. Vier ältere Herrschaften, äußerlich CDU-Wähler, und ich haben sich zur Führung durch Konrad Adenauers Hausanlage in Rhönberg eingefunden. Der Führer stammt dialektal aus dem Münsterland und gesinnungsmäßig aus den 1950er Jahren.
„Ich bin Journalist“, antworte ich vage. Meine vier Begleiter sehen mich bestürzt an. Auch Terrorist endet auf -ist. Da stehen wir gerade hier, mit Blick auf Adenauers Schreibpavillon:


„Eigentlich müssten Sie das vorher anmelden“, sagt der Führer.
„Dass ich mir hier Notizen mache?“ frage ich zurück.
Die anderen Gäste sehen inzwischen betreten auf Adenauers Rosenbeete. Sie wollen nicht aus Versehen mitverhaftet werden.
„Und jetzt schreiben Sie ja nicht, dass der Kanzler Rosenzüchter war. Wäre nämlich falsch. Er liebte Rosen, aber er züchtete keine.“
Ich notiere auch dies.
„Ach“, sagt da der Führer, „was soll ich auch mit Ihnen streiten.“
Von Adenauers Haus blickt man auf die andere Rheinseite zum Rolandsbogen. Da geht es um die unglückliche Liebe Rolands zu seiner ins Kloster emigrierten Ex. Die heutige Obernonne des Nonnenwerther Klosters sagt, wenn sie gut gelaunt ist, folgendes: „Der Roland hat von seiner Burg nicht nur auf sie runtergesehen. Sie hat bestimmt auch zu ihm hochgeschaut.“ Der Führer findet das rührend, wegen Keuschheitsgelübde und so.

Adenauers Haus und der Rolandsbogen

Der 1. Bundeskanzler der Deutschen war zugleich ein fleißiger Erfinder. Zahlreiche Verbesserungen an Haushaltsgeräten gehen auf sein Konto (Gießkanne mit Klappdeckel), aber auch die Adenauerwurst aus dem Magerjahr 1915: Sojamehl mit Knochen und Blut – eine Öko-Flönz für harte Zeiten. Tests in Krankenhäusern ergaben, so liest man: „Die Wurst wurde gern genommen, gut vertragen und, wie der Stuhlgang erkennen ließ, gut genutzt.“
Seine bekannteste Marotte jedoch war das Bocciaspielen. „Zur Entspannung und jeden Tag nach der Arbeit in Bonn“, sagt der Führer. In der Ausstellung unterhalb des Hauses findet man ein paar Kugeln des „Alten“:



Auf einer der acht Terrassen, die er in seinen Steilhang fräsen ließ, liegt auch noch seine alte Bocciabahn:


Und hier spielt er gerade darauf, ziemlich gelenkig für sein Alter:

„Es kommt ja immer darauf an, wie gut sich Politiker miteinander verstehen“, sagt einer meiner Begleiter. Dabei sieht er den Führer wie einen Lehrer an, ein wenig ängstlich, ob er jetzt womöglich Schimpfe kriegt.
„Ja“, sagt der, „mit de Gaulle funktionierte das zum Beispiel auf den ersten Blick.“ Und deshalb stehen die beiden jetzt zusammen im Garten. Mit Blick auf den Rolandsbogen, den Rhein und den Drachenfels. Und gleich, darauf dürfen wir wetten, gehen sie eine Runde Boccia spielen.


Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

Keine Kommentare: