Dienstag, 25. Mai 2010

Thekentänzer (29)

Lolli und Lulli

Viertel nach 9, es ist gerade ein bisschen leerer geworden. Hinten tackert der Flipper, vorm Fenster paradieren die Türkenautos. Zwei Typen treten ein, in der Mitte eine Frau. Wie sich herausstellt, ist sie Finnin, mag Eishockey und hat ihre Begleiter gerade erst kennengelernt.
„Machst du uns nen Deckel auf L?lli?“
„Lulli oder Lolli?“
„Nee, Lolli.“
Lolli hat drei Becks bestellt. Er trägt lange, gewellte Haare und einen Vollbart, aus dem eine große Nase heraussticht. Die Frau ist hübsch, sein Freund hingegen vollkommen unscheinbar. „Lulli“ wäre ein passender Name für ihn. Während die Jungs antrinken, geht die Finnin durch zur Toilette.
„Hast du gehört, der Flotte Hotte?“ fragt Lolli.
„Wat denn, Alter?“ antwortet Lulli mit schwerer Zunge.
„Hat der gestern ne 20-jährige abgeschleppt.“
„Mit allem drum und dran oder wie?“
„Das volle Programm, genau. Sagt er jedenfalls.“
„Boah ey.“
Als die Finnin zurückkommt, werfen sich die beiden einen Blick zu und wechseln das Thema. Der junge Spund, der seit einer Stunde den Flipper traktiert, erreicht gleichzeitig mit ihr die Theke. Er heißt Dieter und kommt immer allein.
„Du solltest echt nicht Lanxess-Arena sagen“, sagt er zu Lolli. „Lanxess is Bayer Leverkusen.“
„Hast du sonst noch Sorgen, du Bratwurst?“ sagt Lolli.
„Ein Kölsch nehm ich noch“, sagt Dieter zum Kellner.
Im Schnapsregal klingelt das Telefon. Der Kellner ignoriert es.
„Eure Winter sind sehr lang, oder?“ fragt Lulli die Finnin. Sowohl seine Stimme als auch seine Haltung wirken dabei ausgesprochen hündisch.
„Oh ja“, antwortet die Finnin auf Englisch. „Minus 25 Grad sind bei uns normal.“
„Boah ey, und Finnland, hab ich ma gehört, ist das einzige Land, das Russland je in einem Krieg besiegt hat.“
Die Finnin schweigt nun und scheint sich ihrer neuen Freunde nicht mehr so ganz sicher zu sein. Lolli versucht sich ihr auf einem neuen Feld zu nähern.
„Ist dir schonmal aufgefallen, dass Podolski mit Po und Klose mit Klo anfängt?“
„Klose?“ fragt die Finnin mit völligem Unverstandnis in den Augen.
„Ja“, sagt Lolli, „Fußball eben, ich dachte ja nur.“
Lulli hat einen klaren Moment und macht Lolli den Scheibenwischer. Als der Flipperspieler das nächste Mal bestellen will, verliert der Kellner die Kontrolle: „Na, Dieter, willste noch 0,2 Lieter?“
Dieter klappen die Lider zu, sein Mund verzieht sich zu einem Strich.
„Das war so unfassbar schlecht! Das war der schlechteste Reim, den die Welt je gehört hat. Das tut mir körperlich weh, weißt du das?!“ Und nach einer kurzen Pause: „Das war wie letztens.“
Die Finnin hat ihr Bier kaum angetrunken, will aber zahlen. Lollis trostloser Kumpel sieht längst wieder aus wie ein geschlagener Boxer im Neonlicht. Lolli selbst glotzt den Flipper-Dieter an.
„Was war denn letztens?“ fragt er ungeduldig.
„Da war ich mitm Auto in Meschenich unterwegs und brauchte n paar verdammte Grillwürstchen.“
„Ja und?“
„Ja und? – Warst du schonmal an einem 30. April, der auf einen Freitag fällt, in einer sozial schwachen Gegend einkaufen?“



„Die Ruhrpott-Komödie ´Ein Schnitzel für drei´ erfährt dort ihre Premiere, wo sie gedreht wurde: Im Revier“, schreibt WDRPrint, die Zeitschrift des Westdeutschen Rundfunks. Auf dem Bild jedoch deutlich zu sehen: Die Skyline des Meschenicher Kölnbergs.


Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

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