Mittwoch, 9. Dezember 2009

Thekentänzer (20)

Der kleine Heinz und der dicke Heinz

Der kleine Heinz und der dicke Heinz saßen zusammen an der Theke ihres Stammlokals.
„Du bist also der kleine Heinz“, sagte der dicke Heinz nach geraumer Zeit gegenseitigen Schweigens.
„Und du bist der dicke“, folgerte der kleine Heinz, und: „So dick bist du eigentlich gar nicht“, zog er nach, um dem unglaublich dicken Heinz ein wenig zu schmeicheln.
„Und du auch eigentlich gar nicht so klein“, gab der dicke Heinz unter Missachtung der Tatsache zurück, dass der kleine Heinz auf einem viel höheren Barhocker saß als er selbst.
Nach dieser kurzen Vorstellung schwiegen die beiden Heinze erstmal wieder ein Weilchen. Denn eigentlich kannten sie sich gar nicht wirklich. Zwar war dies ihre gemeinsame Stammkneipe, aber erobert hatten die beiden sie aus ganz verschiedenen Richtungen. So war der kleine Heinz ein Zugezogener, der Dicke hingegen gegenüber dem Lokal aufgewachsen. Damals hatte der Laden noch „Bei Erika“ geheißen.
„Eigentlich ist der Name Heinz so um 1970 ausgestorben“, nahm der dicke Heinz den zwischenzeitlich beiseitegelegten Faden wieder auf. Und: „Hab ich gelesen“, fuhr er fort, nachdem sich des kleinen Heinz´ Reaktion auf einen leeren Seitenblick bei erhobenem Glas beschränkt hatte. „Ich habe mich da mal informiert.“
„Hast du ein Problem?“ fragte der kleine Heinz nun, und nachdem der dicke Heinz verlegen auf seine Plauze geschielt hatte: „Mit dem Namen, meine ich.“
„Gefällt dir das? Der kleine Heinz zu sein?“
„Ich bin nicht der kleine Heinz“, sagte der kleine Heinz sehr bestimmt, um sich sodann wieder seinem Glas zuzuwenden. Er schien die Richtung dieses Gesprächs auf keine Art nehmen zu wollen.
Tatsächlich hatte den kleinen Heinz niemand je den kleinen Heinz gerufen, bevor er hier verkehrte. Erst hier, und nachdem er das Stammpublikum des Ladens kennengelernt hatte, war ihm dieses Adjektiv zugewachsen. Kein anderer Grund hatte dazu geführt als jener, den kleinen vom altbekannten dicken Heinz zu unterscheiden.
„Mein Opa hieß Heinz“, sagte der dicke Heinz. „Bei uns in der Familie kriegen alle die Vornamen ihrer Großeltern.“ Er sah ein bisschen traurig aus bei dieser Mitteilung. „Wie war das denn bei dir beim ersten Mal?“
Der ungläubige Blick des kleinen Heinz ließ den dicken seine Frage präzisieren: „Na, als dir zum ersten Mal wirklich klar wurde, dass du Heinz heißt.“
„Wir sind alle Heinze“, antwortete der kleine Heinz.
„Was?“
„Meine Mutter war eine Heinz, mein Vater war ein Heinz. Die kommen aus Nachbardörfern, die haben dann geheiratet, und dann haben die mich eben Heinz genannt.“
„Heinz?“ stotterte der Dicke.
„Heinz Heinz, genau“, nahm ihm der kleine Heinz die Scheu. „Ich heiße Heinz Heinz.“


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