Mittwoch, 2. Dezember 2009

Straßenkämpfer (9)

Oriental mag er nicht

„Ein Taxi, bitte“, sagt die Prostituierte vom Militärring.
Sie ist klein, geradezu winzig, wie die Turnerinnen aus dem alten Ostblock. Über dem lila Minirock trägt sie eine beige Daunenjacke, darunter weiße Strumpfhosen. Ihre Hände sind blau. Hier draußen regiert die Bulgarenmafia den Straßenstrich, sagt man.
Die Tankstellenfrau greift zum Handy, während die Mutter am Stehtisch ihr Kind abzulenken versucht.
„Willst du ein bisschen Senf bei das Würstchen?“, fragt sie.
Aber die Tochter reagiert nicht, starrt die blauen Hände und den lila Rock an. Das Würstchenglas schwitzt, die Brötchen sind aus, die Ofenklappen lappen nach vorn. Nachdem das Taxi bestellt ist, geht die kleine Prostituierte zur hintersten Wand. Legt die Hände zusammen und stellt sich vor das zimmerhohe Kühlfach mit den Bierbüchsen und Colaflaschen. Neonleuchten wirken immer zugleich grell und zwielichtig.
„Jetzt iss auch! Das wird sonst kalt, das Würstchen.“
„Ich hab aber keinen Hunger.“
„Ganz plötzlich, oder wie!“
Die Mutter, keine Dreißig, schaut empört auf das Kind herab. „Na, gib her“, sagt sie dann. Das Würstchen ist schnell vertilgt.
Der Mann, der die ganze Zeit vor den Zeitungen stand, wechselt jetzt zum nächsten Regal. Unter der beigen Daunenjacke wölbt sich absolut nichts, und es gibt noch deutlich kürzere Röcke.
„Ungarische haben Sie nicht?“
„Was?“, fragt die Tankstellenfrau.
„Chips“, sagt der Mann.
„Ach so“, sagt sie und kommt hinter der Theke hervor. „Probieren Sie doch mal die Oriental von Funny Frisch, die sind wirklich gut.“
„Die mag ich aber nicht“, sagt der Mann. Er grinst jetzt, wahrscheinlich schämt er sich ein bisschen.
„Was Chips angeht, bin ich aber auch sehr wählerisch“, sagt die Tankstellenfrau. „Am besten gehen Sie vorn zum Kiosk.“
„Da war ich schon“, sagt der Mann. Zwischen den aufgestellten Kragenspitzen des Mantels schweift sein Blick noch einmal durch den Raum, dann dreht er sich zur Tür.
„Tuste mir noch nen Kaffee, Hilde?“, sagt die Mutter vom Stehtisch. „Den brauch ich einfach nach sonem Würstchen.“
Die Tür geht auf, jemand will sein getanktes Benzin bezahlen. Direkt hinter ihm quietschen Reifen. Das Taxi ist da.


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