Mittwoch, 21. Oktober 2009

Thekentänzer (18)

Unbedingt Umluft

Mit dem Ausziehen der Lederjacke legt der Typ ein Motörhead-T-Shirt frei, dessen schwarze Ärmel nahtlos in zwei zutätowierte Arme übergehen.
„So´n Macintosh ist letztlich auch nur n Mensch“, sagt er. „Manchmal braucht der n bisschen Wärme.“
„Versteh ich jetzt nicht“, antworte ich aufmunternd. Schließlich habe ich zu dieser frühen Stunde so gut wie nichts zu tun, und der Express-Mann war auch noch nicht da.
„Ja, manchmal muss man einfach die Platine in den Backofen tun und bisschen aufdrehen. Dann läuft der wieder, der Mac.“
Der dicke Türke sieht ihn von der Seite verständnislos an. Seit er hier ist, hat er ein Kölsch, aber vier Kippen weggezogen. Jetzt legt er einen Fünfer auf die Theke:
„Gibs du mir Packung Davidoff Classic.“
„Hier ist Selbstbedienung“, sage ich, „der Automat steht hinten am Klo.“
„Was?“
„Davidoff ham wir hier nicht.“
„Ah, gutt.“
„Ich war mal der Camel-Kopf“, sagt der Tätowierte. „Auf Programmierer, das war nur ne Umschulung. Vorher Schauspieler, völlig erfolglos, kannste dir ja denken. Aber mal der Kopf vom Camel-Kamel, bei ner ziemlich großen Benefiz-Sache.“
„Und hinter dir im Kostüm noch´n anderer?“
„Noch zwei. Einer der Höcker, einer Hintern.“
„War heiß, wa?“
„Wie Hölle, und konntste noch nichma rauchen unter dem Ding.“
Gegenüber tritt ein älterer Mann im Trainingsanzug aus dem Haus. Er humpelt stark, sieht nach frischer Operationsnarbe aus. Drei Schritte, dann bleibt er stehen und hält sich an einem Laternenmast fest. Die Packung des Türken ist endgültig leer, er geht. Zum Glück sind gerade zwei neue Gäste gekommen. Einer von ihnen trägt einen braunen Anzug und sieht recht aufgeweckt aus.
„Entweder allein, oder eine ewig betrunkene Frau um die Ohren – das ist das Drama meines Lebens“, sagt der Programmierer. Und bevor ich jetzt in eines der üblichen Beziehungsgespräche eintauchen muss, nimmt mir der Aufgeweckte die Last ab.
„Was willst du mit Frauen“, sagt er. „Ich hab sieben Gitarren, für jeden Tag eine.“
„Die haben aber alle keine Titten.“
„Ob du´s glaubst oder nicht“, sagt der Aufgeweckte, „aber genau das hab ich kommen sehen.“
„Was jetzt?“
„Das spürt man einfach schon beim Annähern, was für ne Stimmung in einer Kneipe herrscht. Also, dass ich schon vor ner Minute wusste, was fürn Gespräch ich jetzt hier mit dir führe.“
Der Tätowierte blickt nun mich an.
„Will der n paar auf die Manschette oder was?“
Auf der anderen Straßenseite schleppt sich der frisch Operierte zurück in seinen Hauseingang. Kurz danach passiert der dicke Türke das Fenster, intensiv qualmend. Die Tür geht auf, nacheinander stolpern 17 junge Männer herein.
„17 Veltins“, sagt der Anführer.
„Wir haben hier weder Veltins noch Davidoff Classic.“
„Dann sag mir doch mal: Wie weit isset denn von hier zu Fuß bis zum Paschapuff?“
Genauso weit wie mit dem Auto, müsste ich jetzt antworten. Tue ich aber nicht. Der Programmierer leert sein viertes Weizen, und als er mich angrinst, kommt er mir vor wie mein bester Freund.
„Also hör zu“, sagt er, während ich 17 Kölsch zapfe. „220 Grad sind okay für so ne Platine. Aber eins ist ganz wichtig, schreib dir das auf!“
Wie im Tran greife ich tatsächlich zu einem Stift und sage: „Ja?“
„Auf Umluft, den Ofen. Unbedingt Umluft!“



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