Mittwoch, 2. September 2009

Coloniales (22)

Soeben ist der zweite Band der „111 Kölner Orte, die man gesehen haben muss“ erschienen. Als Appetizer hier einer meiner neuen Lieblingsorte. „Lieblings-„, weil er nicht nur originell daherkommt, sondern zudem so unauffällig mitten in der Stadt liegt.


Das Anamorphische Deckengemälde

Das griechische Wort Anamorphose bedeutet soviel wie Umformung. In der Kunst versteht man darunter solche Bilder, die ihre wahre Gestalt erst unter einem bestimmten Blickwinkel preisgeben. Im Mittelalter diente diese Technik der illusionistischen Deckenmalerei ebenso wie zur Verschlüsselung von Verbotenem, also etwa von erotischen Szenen. Längenanamorphosen werden heutzutage gern bei auf der Straße angebrachten Verkehrszeichen verwendet, um den flachen Winkel der heranfahrenden Autofahrer auszugleichen. Außerdem findet man sie inzwischen in jedem Fußballstadion: Horizontale Werbebanner neben den Toren wandern für den TV-Zuschauer scheinbar in die Vertikale.
Eine Sonderform dieses Verfahrens ist die sogenannte katoptrische Anamorphose, bei der die Dekodierung über einen Spiegel läuft. In der Passage am Hohenzollernring erkennt man auf dem Deckengemälde zunächst einmal nur eine zerlaufene, weißlich-graue Ringfläche, die entfernt an entsprechende Formen bei Dalí erinnert. Erst ein Blick in den zentral angebrachten zylindrischen Spiegel enthüllt dem Betrachter die Taubenschar, die den Spiegel umkreist. Die Lichtverhältnisse in der Ringpassage sind zwar alles andere als optimal, aber der Effekt ist immer wieder verblüffend.
Insgesamt erstreckt sich das Deckengemälde in dem schmalen Durchgang zwischen Ringen und Friesenwall über 200 Quadratmeter. Jenseits der Tauben sind verschiedene Landschaftselemente zu entdecken: sphärische Wolken-, Wasser-, Wald- und Wiesenflächen, zumeist jedoch eher konturlos und lediglich farblich angedeutet. Das 1980 geschaffenen Werk von Peter Möbus und Klaus Weidner überdacht seit Anfang 2009 eine komplett neue Verkaufslandschaft. Die Ringpassage wurde renoviert, vom Boden bis hin zu den Schaufenstern der kleinen Modeläden, Cafés und Antiquariate, die hier angesiedelt sind.


Infos

Adresse: Hohenzollernring 16-18 bzw. Friesenwall 13-17
ÖPNV: Bahn 1, 7, 12, 15, Haltestelle Rudolfplatz
Tipp: Historisch interessant ist das kleine Haus am Friesenwall 47a, in dessen Giebel noch der Balken für den ehemaligen Lastenaufzug steckt.



Bernd Imgrund: 111 Kölner Orte, die man gesehen haben muss, Emons Verlag, Köln 2009, 12,90 Euro. Mit Fotografien von Britta Schmitz.


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