Mittwoch, 22. Juli 2009

Thekentänzer (16)

Beige Jacke, rote Tasche, schwarze Stiefel

Halb 8, ich fege die Scherben der letzten Nacht zusammen. Gerade hat es geregnet, der Laden dämmert in fahlem Braun. Am Gitter vor dem Fenster taucht ein Gast von gestern auf und entriegelt sein Fahrrad. Auf dem Flipper liegt ein halbierter Bierdeckel: „Peter“ ..., und dann ein Nachname samt Telefonnummer. Und unter einem der Stehtische hockt etwas Großes, Schwarzes.
Ein Tier, geht es mir durch den Kopf. Aber als ich mich bücke, halte ich zwei Frauenstiefel in der Hand. Fast neu, gutes Leder. Und direkt daneben ein paar Strümpfe. Interessant!
Eine Viertelstunde später klingelt das Telefon. Ob ich vielleicht eine beige Jacke und eine rote Tasche gefunden hätte, fragt die Frau. Ich gehe in die kleine Küche, und am Haken hängen: beige Jacke und rote Tasche.
„Ist ja toll“, sagt die Frau mit der angenehmen, leicht rauchigen Stimme. „Und steckt womöglich die Kamera noch in der Tasche?“ – Sie steckt.
Die Frau ist erleichtert, begeistert, in fünf Minuten will sie da sein.
Und fünf Minuten später betritt sie auch den Raum: Mitte 30, hübsch, braune Haare, Seitenscheitel.
„Ich hoffe, das wird mir eine Lehre sein“, sagt sie zur Begrüßung.
Ich hole ihre Sachen, sie zieht die Jacke an. Sogar das Portemonnaie steckt noch darin.
„Wahrscheinlich war ich so spät, dass gar keiner mehr was klauen konnte“, sagt sie.
„Wie lange warst du denn hier?“ frage ich.
„Weiß ich nicht.“
Als sie zur Tür geht, sehe ich, dass sie Flipflops an den nackten Füßen trägt. Eigentlich zu kühl für diesen Tag.
„Sag mal, bist du dir sicher, dass du den Laden mit Schuhen verlassen hast?“
Die Frau dreht sich noch einmal um und sendet einen Augenaufschlag.
„Dann sind das doch bestimmt deine Stiefel da“, sage ich.
Die Frau blickt in die Richtung meines Zeigefingers. „Ja“, sagt sie dann und setzt sich – so ein bisschen schüchtern, so ein bisschen ertappt, so ein bisschen resigniert – auf die Fensterbank.
Und während sie sich den ersten Strumpf über den Fuß streift, schiebt sie nach: „Ich hab´ mich einfach nicht getraut, nach denen auch noch zu fragen.“


P.S.: Alle Männer, denen ich diese Geschichte erzählt habe, haben spontan gelacht. Und danach, das sah man ihnen an, haben sie sich so manches überlegt.

P.P.S.: Ja, die Fußnägel der Frau waren lackiert. Schwarz.


Wer an diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch erinnert werden möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

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