Mittwoch, 4. März 2009

Coloniales (12)

Das Historische Archiv: Ungeld, Drittelsstädte und Heringsvisitationen

Selbst wenn man eigentlich gar nichts zu recherchieren hatte: Es lohnte sich jederzeit, im Lesesaal des Historischen Archivs ein bisschen zu stöbern. Säuberlich aufgereiht standen da beispielsweise dicke Bände mit Unterlagen zu Kölns Zeit als Hansestadt – Hanse, das war jene mittelalterliche, mächtige Kaufmannsvereinigung, nach der auch der Hansasaal im Rathaus benannt ist. Wer in solchen alten Akten schmökerte, lernte etwa ausgestorbene Bürokratenbegriffe wie „Drittelsstädte“, „Heringsvisitationen“ oder „Ungeld“ kennen. Bei letzterem handelt es sich übrigens um eine Art Umsatzsteuer, die ab dem 13. Jahrhundert von Reichsstädten auf Alltagswaren wie Wein, Bier oder Fleisch erhoben wurde. Zu entrichten hatten die Händler sie an den Stadttoren oder auf dem Markt. Möglicherweise hängt mit dem Ungeld auch die „Klage der Ochsen-Kaufleute von Münster gegen Zwangsmaßregeln in Köln“ zusammen, von der im Hansebuch an anderer Stelle die Rede ist.
Das Historische Archiv bewertet, übernimmt, erschließt, konserviert und restauriert Urkunden und Akten der Kölner Stadtverwaltung sowie der ehemaligen Stifte und Klöster. Ebenso verfährt es mit zahllosen privaten Nachlässen und Sammlungen zur Stadtgeschichte seit dem Mittelalter. 65.000 Schriftstücke ab dem Jahr 922, 104.000 Karten, 50.000 Plakate und 500.000 Fotos füllten an der Severinstraße insgesamt 26 Regalkilometer.
Eines der spannendsten Kompendien im Besitz des Archivs sind/waren die Tagebücher des Hermann von Weinsberg (1518-1597). Auf tausenden von Seiten berichtet der langjährige Ratsherr über seine Lebensumstände, die städtische Politik und Kultur genauso ausführlich wie über auswärtige Probleme. Sich selbst schildert er als –zumindest in jungen Jahren – rheinische Frohnatur: "Hab gern freude gesehen und gehort, in geselschaften kurzweil verzalt, in gastereien gespreich und angeneim gewesen, keiner boissen mogt mir zu vil sin, mit singen, danzen, springen ist mir verholfen gewesen; die musick seir gefellich.“
Keine andere Quelle erschließt uns die Kölner Sitten und Gebräuche des 16. Jahrhunderts so farbig und detailreich. Auch Weinsbergs Hinterlassenschaft konnte in jenem Lesesaal eingesehen werden, den es jetzt nicht mehr gibt.



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