Mittwoch, 7. Januar 2009

Thekentänzer (8)

Die Würfler

Von einer größeren Würfelgruppe sind zwei Typen übriggeblieben, die sich überhaupt nicht kennen. Nach zwei Stunden und zahllosen Schnäpsen kommen sie nun dazu, sich ihre Vornamen zu nennen.
„Was, echt, du heißt Klaus, soll ich dir mal was sagen, dann bin ich am selben Tag geboren, an dem du Geburtstag hast.“
Den meisten Umstehenden ist klar, dass Würfler 1 den Namenstag meint, aber aus Klausens Augen spricht totales Unverständnis.
„Echt?“, fragt er nach gefühlten fünf Minuten des Rätselns und Staunens.
„Is´n Ding, wa?“, sagt Würfler 1, bevor er die nächste Runde mit einem Schock Drei eröffnet.
Auf dem Klo ächzt ein alter Kerl vor dem Pissoir, dessen Bier schon länger schal auf der Theke steht.
„Ich hab da manchmal arge Probleme mit dem Pinkeln“, sagt er, traurigen Blicks und mit schwerer Zunge. Dann lehnt er die Stirn an die Kacheln und drückt weiter.
Die beiden Würfler spielen nun „Jeder Mensch kann irgend etwas ganz Besonderes“. Würfler 1 behauptet, er könne mit den Ohren wackeln. Alle sehen ihm zu, wie er eine grauenhafte Grimasse nach der nächsten schneidet, aber die Ohren bewegen sich dabei keinen Deut. Das muss das Pinkler-Syndrom sein. Klaus hingegen kommt mit der Zungen- an die Nasenspitze, schneidet in der B-Note jedoch genauso schlecht ab wie sein neuer Kumpel.
„Ich gehöre zu einem Verein, der die englische Science-Fiction-Fernsehserie Dr. Who verehrt“, sagt der Schweizer Koloss, der zum ersten Mal hier ist. „Wir haben weltweit nur 50 Mitglieder, ist aber ein riesen Spaß!“
Er wird seine Geschichte heute Abend noch zwanzig weitere Male erzählen, insgesamt zehn Pints Guinness trinken und dennoch mit perfekter Grandezza aus der Tür gehen. Ganz im Gegensatz zu Klaus.
„Hasse ma Johnny Cash?“, fragt er, aber als dann „Delia´s gone“ läuft, ist er schon eingeschlafen. Seine Position – Hocker unterm Hintern, Kopf auf den verschränkten Armen – wirkt stabil, also was soll´s. Würfler 1, der Felix oder Till heißt, hat durch diesen Ausdauersieg Oberwasser bekommen und reicht mir eine gebrannte CD rüber:
„Kannse die ma auflegn?“, fragt er und schiebt nach, was er gar nicht hätte ergänzen brauchen: „Is von mir, die Mucke.“
Der Alte vom Pissoir steht nach einem erneuten Ausflug wieder an der Theke. Ein Blickkontakt, er hebt resigniert die Schultern. Durch sein andauerndes Klogerenne ist er der einzige im Laden, der Dr. Who noch nicht kennt.
Ich lege die CD von Till oder Felix ein und gottseidank: Sie funktioniert nicht.


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