Montag, 22. Dezember 2008

Coloniales (10)

Holländische Schwarzfahrer

Das Pärchen, Holländer, steigt am Rheinauhafen in die 133, wahrscheinlich wollen sie vom Mittelalter- zum Alter Markt, ein echter Weihnachtsbummel. Sie sind Ende 30, beide blond, und als Zeichen ihres Spießertums trägt sie einen Pagenschnitt und er einen Blinker am Jack-Wolfskin-Rucksack. Beim Einsteigen hält die Frau dem Busfahrer einen Zehn-Euro-Schein vor die Nase. Aber wie kölsche Busfahrer nunmal so sind, empfindet der das als Bestechungsversuch und zeigt unwirsch mit dem Daumen nach hinten.
Und dann stehen die beiden also vor dem KVB-Fahrkartenautomaten. Und drücken ein paar Knöpfe. Ich stelle mir vor, wie sie sich jetzt die Wörter „Kurzstrecke“ oder „Preisklasse 1b“ in ihre beknackte Sprache übersetzen. Irgendwann entscheiden sie sich für ein Ticket, finden aber den Schlitz für die Geldscheine nicht. kein Wunder, gibt ja auch keinen, sage ich ihnen aber nicht. Nach kurzem Rätselraten zückt die Frau ihre Kreditkarte und steckt sie in einen Schlitz des Automaten. Der gibt ein paar empörte Quietschgeräusche von sich und spuckt die Karte wieder aus. Der Bus erreicht die Severinsbrücke, als das gleiche mit der Karte des Mannes geschieht.
Am Waidmarkt haben beide ihr Portemonnaie ausgepackt und suchen nach Kleingeld. Sie wirken jetzt zunehmend frustriert. Außerdem scheint sich ihr Gewissen zu melden, immerhin fahren sie jetzt seit vier Minuten schwarz. Die Frau blickt sich schuldbewusst um und fixiert vor allem mich, weil ich mitschreibe. Wenn ich nur ein bisschen mutiger, ein bisschen gemeiner wäre, würde ich jetzt meinen Presseausweis hochhalten und „Fahrkartenkontrolle“ rufen. Immerhin sage ich „Nein“, als die Frau fragt, ob ich einen Zehner wechseln könne. Noch immer blockieren die beiden den Automaten, schade, das niemand sonst eine Karte ziehen will. Das würde das Spektakel noch ein wenig attraktiver machen. Klimper, klimper, noch immer wühlt die Frau in ihren Kleingeldmünzen, um regelhaftes Verhalten vorzutäuschen. Der Bus biegt ab in die Heumarktschleife, tausende Lichter und Leute verkünden die Ankunft beim nächsten Weihnachtsmarkt. Ein Ruck geht durch das Holländerpärchen, wie elektrisiert warten sie auf das Öffnen der Tür und springen dann aus dem Bus.
Draußen sehen sie sich an, grinsend, und was ich süß fand: Dass sie ihm noch so verschworen-kumpelhaft in den Arm gekniffen hat.

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