Mittwoch, 5. November 2008

Thekentänzer (6)

Schmatz

„Ich bin Philosoph“, sagt der Typ. Die Kneipe ist erst seit einer Viertelstunde auf, aber er sitzt schon beim zweiten Weizen. Seinen Deckel hat er sich auf den Namen „Schmatz“ machen lassen.
„Philosophie habe ich auch studiert“, werfe ich ihm hin und ernte ungefähr das Erwartete: „Pah“, macht er, „was heißt schon ´studiert´? Ich bin Privatphilosoph!“
„Verstehe“, sage ich, und denke: Das ist bestimmt ein Spinner der interessanteren Sorte. Dem muss man nur ein bisschen Zeit lassen. Eingangs des dritten Weizens ist es soweit.
„Zuletzt hab ich ja als Hausmeister gearbeitet. In einer Kirche.“
„Und, war bestimmt cool, oder?“
„Scheiße war´s, hab ich gekündigt. Und war sowieso nur ´n 1-Euro-Job.“
Er zieht an seinem Weizen, als wär´s der letzte Strohalm. „Eigentlich will ich nämlich in den Kulturbereich“, sagt er mit dem Absetzen des Glases.
„Kannst du denn was?“ frage ich vorsichtig.
„Ich kann alles, und ich war auch mal in nem Theater. Aber da haben die mich nur immer Bühnen zusammenschrauben lassen. Akkuschrauber, weißt´e. Den ganzen Tag am Akkuschrauber!“
„Und?“
„Na ja, hab ich halt gekündigt, wa.“
Zwei Frauen kommen herein, ich muss Kölsch zapfen. Schmatz brabbelt weiter.
„... wie damals, als die mich in die Klapse gesteckt haben“, sagt er, als ich wieder vor ihm stehe. „Suchtklinik. Nur Drogis, verstehst´e, dabei nehm ich gar nichts. Paar Bierchen am Abend, is klar, und vorm Einschlafen ´n Joint. Und das war´s auch schon.“
„Musstest du Haldol nehmen?“, frage ich.
„Nee nee“, sagt er, „war schon okay. Hatte ich wenigstens ´n Bett da, ich war ja obdachlos damals.“
Die eine Frau kauft „Fränki“, eins meiner Bücher, die ich immer im Schnapsregal ausstelle.
„Du schreibst Romane?“, fragt Schmatz. Ein Buchautor ist anscheinend deutlich hipper als ein Magister Artium.
„Ja“, sage ich stolz.
„Und warum arbeitest du dann hier?“
Die Frage ist verblüffend, geradezu philosophisch. Jedenfalls muss ich nachdenken.
„Weil ich gern volle Motte laut meine eigene Musik höre“, antworte ich so ehrlich wie möglich.
Schmatz nickt. Nach dem fünften Weizen zahlt er, steht aber zwei Stunden später wieder auf der Platte. Völlig abgeledert.
„Nen Wachmacher hast du nicht zufällig auf Lager, was?“, fragt er, sich die Nase reibend.
„Tut mir leid“, sage ich. Das erste Fass ist alle, also zapfe ich das abgestandene Zeug aus Leitung II. Einen halben Liter, ein Weizenglas voll.
Schmatz fixiert das Glas, dann mich: „Wärst du mit einem Euro einverstanden?“

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