Mittwoch, 10. September 2008

Thekentänzer (2)

Blondbratzen

Die beiden Frauen sind Anfang 30, stark geschminkt und spärlich bekleidet. Ihre zwei Kölsch bestellen sie ohne bitte und danke.
"Mach nen Deckel auf Jennifer", sagt die mit den kurzen, gegelten Haaren. Dabei macht sie eine wegwerfende Handbewegung und dackelt dann mit ihrer Freundin hintendurch zum Flipper.
Ich nehme den Deckel und schreibe: "Blondbratzen".
Am Fenster neben dem Eingang sitzt ein Pärchen, das noch nie hier war.
"Schon wieder?", höre ich die Frau sagen. Ihre Stimme klingt resigniert.
"Ich geh nochmal um den Block", sagt der Mann. Und weg ist er.
Es ist Viertel nach 9, hinterm Fenster geht die Sonne unter. Jerôme arbeitet am dritten Kölsch-Jägermeister-Gedeck, als Jennifer zurück zur Theke kommt. In der Hand hält sie die beiden Kölschgläser, die noch voll sind, aber längst nicht mehr so gut aussehen wie vor zehn Minuten.
"Das Kölsch hier, ne", sagt Jennifer mit pampiger Empörung, "das geht gar nicht!"
Ich hasse diese Floskel: DAS GEHT GAR NICHT. Vor allem, wenn das "gaaaah" dann so langgezogen wird und das "r" entfällt. Wer sowas unreflektiert nachsabbelt, der macht auch bei "Frauentausch" mit.
"Das ist ja auch zum Trinken da", antworte ich vorsichtig, "nicht zum Angucken."
Jennifer platzt der Kragen: "Jetzt pass mal auf, du Witzbold, ne? Ich weiß, wie man Kölsch zapft. Und die hier sind scheiße, das solltest du dir mal überlegen."
Überlegen, hat sie gesagt. "Macht 2,80", sage ich.
"Nix da, du tust mir jetzt zwei Becks", keift Jennifer und schiebt tatsächlich nach: "Da kannste ja dann wohl nix falschmachen."
Manchmal ist das Leben so lustig, dass man es still und schweigend genießt.
Die verlassene Frau ist vom Fenster auf den Hocker neben Jerôme gewechselt. Die beiden Jägermeister, die er ihr gestiftet hat, haben ihr nicht gutgetan. Als sie zwischendurch zum Kippenautomaten verschwindet, fragt Jerôme: "Was soll ich tun? Die will, dass ich sie mit zu mir nehme."
Ich weiß keinen Rat und will von meinen Problemen mit Jennifer erzählen, aber da kommt Jerômes Chance auch schon wieder: "Ihr braucht gar nicht so zu glotzen", sagt sie mit einem unsicheren Grinsen. "Ich bin dem schon vorher mal fremdgegangen."
Jerôme wirkt beeindruckt, neben ihm taucht Jennifer auf. Zwei leere Becks in der Hand und schon wieder auf 180: "Meinst du nicht, es reicht langsam mit Bob Dylan?"
Zur Strafe für diese Unverschämtheit lege ich Hannes Wader auf und sage ihr das auch.
"Hannes wer?", fragt sie.
"Wader", rufe ich triumphierend, "und zwar alle 7 Lieder. Allein der ´Tankerkönig´ ist 11:45 lang."
Jennifer sieht mich verständnislos an, aber zugleich scheint nun so etwas wie verblüfftes Interesse in ihrem Blick zu liegen. ´Kellner sind auch Menschen´, steht in der Sprechblase über ihrem Gelscheitel.
Draußen ist es inzwischen stockdüster, der Laden wird voller. "Heute hier, morgen dort", singt Hannes Wader, und am Stehtisch hinter der Tür sitzen zwei Typen, die inbrünstig mitsingen. Na also, denke ich und zapfe mir ein Kölsch.
Als der Mann von seiner Blockrunde zurückkehrt, ist er völlig breit, hält aber eine Rose in der Hand. Jerômes Frage hat sich erledigt.

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